brunnenkresse hat geschrieben:Freiwilligen Arbeit:
Die Jugendlichen ,die ich persönlich kenne, haben nach der allgemeinen Hochschulreife mit folgenden Tätigkeiten in Ghana geholfen.
*Computerunterricht für Schüler und Lehrkräfte
*Französisch und Englischunterricht für Schüler
*Programmieren
Sie hängen auch nicht anschließend zwei Jahre untätig herum,wenn sie zurückkommen,
sondern im Gegenteil: Sie sind sie von ihren Erfahrungen sehr motiviert,etwas anzupacken, und das zieht Kreise im ganzen Umfeld.
Hallo Brunnenkresse,
ja, das zieht wirklich Kreise im Umfeld. Nämlich, daß die Afrikaner merken, daß es da Leute gibt, die ins Ausland gehen, dort arbeiten und zur Belohnung noch Geld bezahlen dürfen. Erinnert mich persönlich an einen Flyer, wo Leute nach Italien zum spirituellen Olivenernten gelockt werden sollten. Die Leute bezahlten für eine Woche rustikale Unterkunft inclusive Arbeit 2700 Euro! Ich hab mich halbtotgelacht, als ich den Flyer gelesen habe.
Und so etwas wird also nicht nur von durchgeknallten oder geschäftstüchtigen Esotherikern organisiert, sondern auch von ganz seriösen Hilfsorganisationen?
Ich komme aus der DDR, wo man, wenn man Arbeit hatte, auch dafür bezahlt wurde, wenn auch häufig nicht üppig, reichte es doch immer zum Leben. Jetzt bin ich in der Gesellschaft der 1-Euro-Jobber, die für so gut wie lau arbeiten müssen, aber sie müssen wenigstens nicht noch auf ihre Arbeitsleistung Geld drauflegen. Auf die Idee wäre in der DDR auch niemand gekommen, noch dafür zu bezahlen, daß man arbeiten darf.
Und schließlich und endlich habe ich hier im Forum erfahren, daß es Schwarzafrikaner gibt, die sich von selbstlosen weißen Frauen heiraten lassen und diese dann neben Erhalt der Aufenthaltserlaubnis noch nach Strich und Faden finanziell abzocken. Das finde ich schon schlimm genug. Aber das es auch Organisationen gibt, die eine ganze Helfer-Industrie am Laufen halten, welche die Afrikaner vor Ort geradezu dazu einlädt, Weiße abzuzocken, dann bin ich einfach nur sprachlos. Denn die sind doch bestimmt über diese Zustände in den Hilfsorganisationen informiert. Warum sollen sie sich denn überhaupt anstrengen, zu arbeiten, wenn sie sehen, daß Leute zusätzlich zu dieser unbezahlten Arbeit auch noch zahlen müssen, nein, gerne bezahlen, während sie als arme bedürftige Menschen stets am Tropf dieser Hilfsorganisationen ein gutes Auskommen haben, ohne dafür etwas zu leisten oder zu zahlen.
Ich bin ja auf diese Gedanken erst gekommen, als ich in diesem Thread las, daß Ballerina eine für sie billigere Hilfsorganisation wählte und damit in ihr Unglück stürzte. Da fragte ich mich: 'Wieso muß SIE bezahlen, wenn ANDERE von ihr Hilfe wollen?' Und es ist ja nicht so, daß alle Helfer kostenlos arbeiten würden. Ich denke, Ingenieure und andere Hochschulabsolventen verlangen bestimmt harte Währung für ihre Dienste am Entwicklungsland und sie bekommen das auch. Also ich als Schüler oder Abiturient würde mir gnadenlos verarscht vorkommen, wenn man mir eine solche zu bezahlende Tätigkeit anbieten würde. Aber es ist ja eine Sache der kommunikativen Vermittlung und des Vorbildes: Machen es viele, dann wird es auf einmal als normal angesehen, für einen Mann ständig Geld hinzulegen, für einen Job bezahlen zu müssen. ... Ich finde das sehr gefährlich, daß Arbeit derart entwertet und erniedrigt wird.
Du, liebe Brunnenkresse, hast geschrieben, Leute mit Fremdsprachen- und Computerkenntnissen seien als Ausbilder in Afrika sehr gefragt. Da fällt mir doch glatt der Begriff der "stinkenden Nummer 9" wieder ein, ein Schimpfwort, mit dem während der chinesischen Kulturrevolution die Lehrer bedacht wurden. Ist es wirklich so, daß dieser Beruf so wenig wert ist, daß man dafür in Entwicklungsländern kein Geld mehr verlangen darf, sondern sogar drauflegen muß?
Und Du schreibst ja auch:
Brunnenkresse hat geschrieben:In vielen Schulen in Ghana werden Lehrkräfte eingestellt, die selbst zwar eine Schule abgeschlossen haben, aber keine spezielle Lehr-Ausbildung haben. Es ist sehr gut,wenn sie sich weiterbilden, und da können ihnen unsere Jugendlichen sehr viel anbieten, besonders mit ihrem Computerwissen
Das heißt also im Klartext, die Lehrer in Ghana sind nicht besonders qualifiziert, werden aber, wenn vielleicht auch mager, immerhin bezahlt. Während unsere besser qualifizierten Jugendlichen sie weiterbilden und dafür kein Geld bekommen, sondern noch was drauflegen müssen, am besten das Geld gleich noch dem Lehrer geben, dafür, daß man ihn unterrichten darf?
Und wie würde die Entwicklungshilfe wohl gedeihen, wenn sämtliche ehrenamtliche Helfer der Hilfsorganisationen auf Staatskosten mit der Luftfahrtgesellschaft der betreffenden Länder ins Land geflogen werden müßten, wenn die Leute, die, um es mal mit Verona Pooth zu sagen, geholfen werden wollen, für Kost und Logis der Helfer aufkommen müßten, indem sie einfach mal ein bischen mehr Hirse stampfen? Und an der Hütte etwas anbauen? Oder die Regierung stellt ein Heim? Wäre diese Hilfe dann noch willkommen? Wenn man dafür auch aktiv was tun müßte? Würden dann noch Helfer kommen, wenn sie den Afrikanern dann derart nah kämen? Ja, die Helfer kämen bestimmt, aber wielange würden sie wohl bleiben?
LG
Steckchen
Die Liebe vernachlässigt diejenigen am meisten, die ihrer am meisten bedürfen.
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988