Resumé: 6 Jahre danach ….

Wie lebe ich heute. Was habe ich geändert. Wie habe ich Bezness verarbeitet. Der "Neuanfang".

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Katinka
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Resumé: 6 Jahre danach ….

Beitrag von Katinka » 25.06.2009, 14:54

Hallo,

einige unter Euch kennen mich, viele kennen mich nicht.
Ich möchte heute ein neues Thema unter der Rubrik „Bezness – mein Leben danach“ eröffnen und erzählen, wie es mir in den Jahren nach meiner Erfahrung mit Bezness ergangen ist.

Vor ca. 2 Jahren fand ich dieses Forum und Menschen, die mir zuhörten und schickte meine Geschichte ein: http://www.1001geschichte.de/seite206aa.html / 135

Nachdem die Hochzeit vollzogen war, ich zurück in Deutschland und damit auf dem Boden der Realität ankam und nach einigem Hin- und Her die Scheidung einreichte, fühlte ich mich unendlich leer und unwirklich fremd. Um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, beschloss ich mich wieder in das Leben zu stürzen. Ich entwickelte einen unglaublichen Ehrgeiz, meine Ausbildung mit Bestdurchschnitt zu beenden, kämpfte um eine Stelle und arbeitete unermüdlich an meiner Karriere.

Emotionale Nähe und Beziehungen zu Freunden und zur Familie versuchte ich mit allen Mitteln zu vermeiden und manövrierte mich so in eine zunehmend emotionale Oberflächlichkeit.

Alle schlechten Gedanken versuchte ich dadurch beiseite zu schieben. Die tunesische Beziehung und die Ehe kamen mir plötzlich so unreal vor. Als wäre nicht ich die Person, die das erlebt hatte, sondern jemand ganz anderes.

Ich hatte unglaublichen beruflichen Erfolg. Fand mich innerhalb kürzester Zeit in einer extrem verantwortungsvollen Führungsposition wieder. Ich schuftete und schuftete und merkte dabei nicht, wie sehr ich meinen Körper und meine Seele ausbeutete.

Ab und zu holten mich vereinzelte Erinnerungen an die Zeit in Tunesien wieder ein. Aber ich schob sie mit einer Vehemenz beiseite.

Im vergangenen Jahr jedoch kam die Wende. Ich erfuhr eine weitere einschneidene persönliche Enttäuschung. Trotz dem Versuch mich emotional nicht zu sehr an Menschen zu binden, ist es mir wieder passiert. Ich erfuhr im Büro Ablehnung im allergrößten Maße, wurde gemobbt und schikaniert, sodass ich letztendlich einen Nervenzusammenbruch erlitt und man mir Burn-Out diagnostizierte. Meinen Beruf und meine Karriere, an der ich die letzten Jahre so verbissen gearbeitet hatte, musste ich an den Nagel hängen.

Seit einem guten halben Jahr nun bin ich zu Hause und besuche seit kurzer Zeit regelmäßig eine Therapeutin. Mir ist mittlerweile klar geworden, dass mein Erlebnis in Tunesien extremen Einfluss auf mein heutiges Leben hatte bzw. immer noch hat und viele Verhaltensweisen, Ängste und Unsicherheiten meinerseits nach sich gezogen haben, die nicht mit blosem „Aussitzen“ oder „Verdrängen“ verschwinden. Ich habe nicht nur Freunden und Familie vor dem Kopf gestoßen sondern auch mir fremden Menschen, in dem ich sie in Schubladen steckte. Meine Gefühle habe ich auf andere proijeziert, nur damit es mir besser geht. Ich bin sehr froh, dass ich trotz starker Zweifel diese Therapie begonnen habe und nun endlich Antworten auf meine Fragen erhalte. Die Antworten liegen in mir selbst.

Auch wenn sich mein Werdegang im ersten Moment vielleicht etwas traurig anhört, so bin doch davon überzeugt, dass es absolut notwendig war zu fallen, um am Ende mit neuer Kraft und Erkenntnissen wieder aufzustehen. Ich bin mir heute sicher, hätte ich diese professionelle Hilfe schon eher gesucht, würde mein beruflicher und privater Werdegang heute anders (besser) aussehen. Ich kann heute wieder soetwas wie Glück und Freude empfinden.
Mein Post soll vor allem Mut machen. Manchmal genügt es nicht, sich (zB hier) einfach nur den Müll von der Seele zu reden und aufmunternde Worte zu erhalten. Meiner Meinung nach ist das allerwichtigste sich mit sich selbst zu beschäftigen, sich auch mal in Frage zu stellen, Ursachenforschung in einem selbst zu betreiben, Ängste zu lokalisieren und gezielt zu bekämpfen. Und wenn das bedeutet, professionelle Hilfe anzunehmen, dann ist das nichts Schlimmes. Ich jedenfalls habe es nicht bereut – im Gegenteil. Ich akzeptiere das, was geschehen ist und versuche aus meinen Fehlern zu lernen. Ich empfinde keinen Hass gegenüber meinem Ex-Mann oder seiner Familie, die alle brav mitspielten. Ich empfinde überhaupt keine Gefühle mehr für diese Menschen - sie sind mir egal. Tja ...

Ich bin heute 26 Jahre alt und um einige Erfahrungen reicher.

Viele Grüße
Katinka
In der Mitte von Schwierigkeiten, liegen die Möglichkeiten.

Katinka
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Beitrag von Katinka » 25.06.2009, 22:04

Hallo Karol, danke für Deine Antwort, weiß ich sehr zu schätzen!

Vielleicht kennst Du das, man sucht sich tausend Dinge, um von sich selbst abzulenken. Blos nicht zu viel emotionale Nähe, man könnte ja wieder verletzt werden.

Für mich war meine Arbeit eine willkomende Einladung und das einzige Ventil, meine Wut zu kanalysieren. Heute weiß ich, dass das ein Fehler war.

Das Projekt "große Liebe" schlug fehl, es musste schnell ein neues her - das neue hieß "Karriere machen".
Doch im Grunde genommen bin ich gar nicht dieser Karriere-Freak.
So taumelte ich monatelang wie ein Neutrum durch die Weltgeschichte und bin irgendwann unsanft auf die Nase gefallen.

Die Einsicht ist relativ schmerzhaft, aber doch nicht tödlich.
Und ... Was mich nicht tötet, macht mich nur stärker.

Kann sein, dass mein Geschriebsel etwa kryptisch rüberkommt.
Ich schreib grad, wie mir die Gedanken kommen.

Karol, dir auch alles Gute.

LG Katinka
In der Mitte von Schwierigkeiten, liegen die Möglichkeiten.

Hülya

Beitrag von Hülya » 25.06.2009, 22:16

Liebe Katinka,

Dein Geschreibsel, wie Du das nennst, finde ich sehr interessant.

Viele Sachen kommen mir sehr bekannt vor. Du bist noch jung,nimm jede therapeutische Hilfe in Anspruch.

Auch ich habe mich mit meinen Sorgen immer hinter irgendwas versteckt, oder betäubt. Und suche mit Hilfe meiner langjährigen Therapeutin immer wieder einen neuen/alten Weg.


Ich wünsche Dir viel Kraft und viel Erfolg.

Canim
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Beitrag von Canim » 26.06.2009, 11:18

Liebe Katinka,
Zusammenbrüche setzen neue Energien frei und du hast dadurch die Möglichkeit ,dich neu zu definieren und damit ein eigenständiges Leben zu führen. Diese Chancen hast du gut genutzt und es wird dir auch für die Zukunft nutzen, dich mit dir auseinandergesetzt zu haben.
Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft.
LG
Canim
Gemeinsam sind wir stark!

Micky1244
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Beitrag von Micky1244 » 26.06.2009, 15:11

Liebe Katinka,
du hast sehr genau beschrieben, wie lange deine Beznesserfahrung noch dein Leben beeinflusst hat.
Welcher Frau ist das schon klar, wenn sie sich auf so etwas einlässt.
Die Nachwirkungen sind viel einschneidender und tiefer gehend als man sich das überhaupt vorstellen kann.
Es ist ein regelrechtes Aus- der Bahn-geworfen-werden, und man setzt mühsam die Stücke wieder zusammen.
Nun siehst du endlich das Licht am Ende des Tunnels.
Schön, dass du mit therapeutischer Hilfe wieder zu dir selbst gefunden hast.
Ich wünsche dir viel Glück im neuen Leben.
LG Micky

Tabiba
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Beitrag von Tabiba » 26.06.2009, 15:32

Liebe Katinka, ich war früher auch sehr ehrgeizig, sowohl im Studium als auch im Beruf.
Habe die ersten Jahre wirklich mit Begeisterung gearbeitet aber dann nach fast 14 Jahren war auch bei mir "Burn Out" angesagt.
Ich habe zwar weitergearbeitet, aber ich fühlte mich zunehmend schlechter (psychisch und physisch,kein Mobbing).
Da war ich natürlich ein ideales "Beznessopfer".

Heute denke ich, dass es mir vielleicht sogar geholfen hat, wieder alles in den Griff zu bekommen und nicht nur durch und für die Arbeit zu leben. Es war ein etwas härterer Weg als bei Dir, aber jetzt gehe ich alles etwas langsamer an (Bin ja auch nicht mehr die
Jüngste). Arbeit ist nicht alles, deshalb sitze ich auch jetzt trotz
Arbeitszeit hier am Computer :wink:

Ich bewundere, wie schnell Du damals nach deiner Heirat gemerkt hast, dass er doch nicht der "Richtige" war. Das hat Dir
viele Probleme erspart. Du warst ja damals auch noch sehr jung :shock:

Ich hoffe, dass die Therapie Dir hilft, dein Leben wieder in den
Griff zu bekommen. So eine kleine "Auszeit", auch wenn die Gründe nicht so schön sind, kann oft Wunder wirken.

Du bist ja immer noch sehr jung und wirst sicher an einem anderen Arbeitsplatz wieder ins Arbeitsleben zurückfinden.
Und eben nicht nur arbeiten sondern auch leben. Das habe ich früher auch nicht gemacht, nur im Urlaub, aber das war nicht genug.

Viel Glück für deine weitere Zukunft

Tabiba :D

Katinka
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Beitrag von Katinka » 02.07.2009, 16:55

Hallo,

ich wollte mich für all die Antworten bedanken, das macht Mut.

Zu dem Zeitpunkt, als ich den Beitrag verfasste, war ich gerade zurück von einer Sitzung.

Ich hatte das Gefühl meine frischen Gedanken einmal niederschreiben zu müssen und sie so hier festzuhalten.

@ Hülya: Du musstest ja nun auch viel Schlimmes erfahren, kann sich glaube ich niemand vorstellen, wie schrecklich alles für Dich gewesen sein muss und immer noch ist – viel viel schlimmer noch als bei mir. Ich denke, in solchen Lebenssituationen geht es gar nicht anders, als sich prof. Hilfe zu suchen, ansonsten geht man irgendwann daran kaputt. Habe großen Respekt vor Dir und Deiner Geschichte.

Im Vergleich zu mir, gibt es hier und überall Frauen, die wesentlich mehr auf den Schultern tragen müssen. Es ist für Außenstehende und für Frauen, die sich gerade in Bezzi-Geschichten manövrieren unvorstellbar, welchen Einfluss solche Elebnisse auf das spätere Leben haben können.

Insofern kann ich eigentlich nur an jede appellieren, sich alles gründlich zu überlegen, und schlussendlich notfalls auch das geringere Übel eines kurzen Liebeskummers auf sich zu nehmen, statt ewige Schuldgefühle und tiefe Narben in der Seele davon zu tragen.

Ich bin zwar noch jung, aber trotzdem irgendwie ziemlich gestört. Gestört im Sinne von zunehmender sozialer und emotionaler Abgestumpftheit.

@ Canim und Micky: Auch Euch vielen Dank. Ich tue gerade das, was du schriebst Canim, mich neu definieren. Prioritäten neu ordnen. Versuchen das Leben, wieder etwas leichter zu nehmen, weniger Anforderungen an mich selbst und andere Menschen zu stellen. Und ich denke, ich bin auf einem guten Weg. Kostet eben nur viel Kraft.

@ Tabiba: Was Du schreibst, ist interessant. Letztendlich bist Du in die Bezzi-Falle getappt, wegen der psychischen Überbelastung. Da war es bei mir genau umgekerrt. Macht es aber auch nicht besser. Genau, Arbeit ist nicht alles und Geld allein macht auch nicht glücklich.

Letztendlich kann ich froh sein, dass ich Alles noch in ziemlich jungen Jahren erlebt habe, das stimmt. Und dennoch, hat es mir irgendwie die jugendliche Unbeschwertheit genommen und ließ mich sehr sehr schnell erwachsen werden. Ich weiß noch nicht, ob das nun eigentlich gut oder schlecht war.

Tja wie gesagt, ich denke, dass ich auf einem guten Weg bin. Und, ich bin gewappnet für weitere menschliche Ausfälle aller Art :D

Einen schönen Tag wünscht
Katinka
In der Mitte von Schwierigkeiten, liegen die Möglichkeiten.

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