Heiraten in Ägypten

Austausch über gemachte Bezness-Erfahrungen in diesem Land

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pauline_stra
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Beitrag von pauline_stra » 08.04.2009, 22:25

Hallo zusammen,

kann vielleicht auch noch ein paar Anmerkungen zu diesem Thema beitragen:

1. Heiraten auf der Deutschen Botschaft gibt es nicht!

2. Eine in Ägypten und später dann auch in Deutschland legale Ehe zwischen Ägyptern und Ausländern kann nur auf dem Shar el Akari (Staatliches Grundstücks- und Notariatsamt) in Kairo oder Alexandria geschlossen werden. Dazu braucht man einige Unterlagen von ägyptischer Seite und natürlich von ausländischer Seite.

3. Heiraten in der Moschee ist nicht rechtsgültig (weder in Ägypten noch in D). Macht eigentlich auch bloß Sinn, wenn beide Partner Muslime sind. Die Scharia ist zwar Grundlage des Familienrechts in Ägypten (weitere wichtige Rechtsquelle ist das französische Recht), aber gilt nicht uneingeschränkt sondern nur als festgeschriebener Rechtstext im ägyptischen Recht. Frau unterliegt also nie bloß der Scharia.

4. Orfi ist ebenfalls eine Art der islamischen Heirat. Kopten können also nie Orfi heiraten! Die Orfiheirat ist nicht nur beliebt zwischen Ägyptern und Ausländern in Touristengebieten sondern auch unter ägyptischen Studenten. Hat wirklich keinen guten Ruf, ist nicht wirklich legal und v.a. nicht wirklich gesellschaftsfähig (nicht mal ein anständiges Hotel bekommt man mit dem Wisch).
Registrierte Orfi-Papiere sind nur in Ägypten gültig und werden von der Deutschen Botschaft nicht anerkannt.

5. Keine Frau wird durch Heirat automatische Ägypterin! Die ägyptische Staatsbürgerschaft kann während der Ehe dann aber beantragt werden. Ich würde niemanden raten einfach so die ägyptische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Dadurch unterliegt man nur noch dem ägyptischen Recht! Eure Heimatbotschaft kann sich nicht mehr für euch einsetzen (im Notfall).

6. Derzeit gibt es ein Gesetz, dass es der Ehefrau (und den gemeinsamen Kindern) erlaubt frei zu reisen. Aber: Gesetze können geändert werden. Man sollte das trotzdem noch in den Ehevertrag mit aufnehmen.

So, nun wünsche ich euch noch einen schönen Abend.

Gruß

Pauline

Hülya

Beitrag von Hülya » 08.04.2009, 22:27

Hallo Pauline,

herzlich Willkommen im Namen des Teams von 1001 Geschichte.


Wir wünschen Dir einen guten und informativen Austausch.

barbara
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Beitrag von barbara » 08.04.2009, 23:44

pauline_stra hat geschrieben:Hallo zusammen,

6. Derzeit gibt es ein Gesetz, dass es der Ehefrau (und den gemeinsamen Kindern) erlaubt frei zu reisen. Aber: Gesetze können geändert werden. Man sollte das trotzdem noch in den Ehevertrag mit aufnehmen.
Gruß

Pauline
Hi Pauline,

wo kann man diesen Gesetzesauszug lesen,schwarz auf weiss?
Und "frei reisen" ist ein dehnbarer Begriff.
Von A nach B innerhalb Ä. oder von Ä nach D.


Barbara

amiena
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Beitrag von amiena » 09.04.2009, 06:52

Die Scharia - arab.: ash-schari'a = der Weg zur Tränke.
Der Begriff Scharia bezeichnet im eigentlichen Sinne den Weg zur Verwirklichung der Einheit von Glauben und Handeln.

Die Scharia umfasst die Gesamtheit der religiösen Vorschriften aus Koran und Sunna, welche die Handlungen des Menschen im privaten und öffentlichen Bereich regeln. Die Scharia ist das islamische Gesetz, dass für jeden gläubigen Muslim zugleich rechtliche und religiöse Verpflichtung ist.
Bei der Scharia handelt es sich um kein kodifiziertes Recht. Vielmehr werden die rechtsverbindlichen Aussagen durch Interpretation von Koran und Sunna abgeleitet bzw. bestimmt.
In den meisten islamischen Ländern wurden parallel zur Scharia Strafgesetzbücher erlassen, welche insbesondere die strengen Bestrafungen durch die Scharia abmilderten.
Darüber hinaus hat es immer auch ein vom Herrscher erlassenes, staatliches Recht gegeben, das jedoch nicht im Widerspruch zur Scharia stehen durfte sowie das sogenannte Gewohnheitsrecht ( urf ).
In den meisten arabischen Staaten wird die Scharia heute zutage in der Verfassung ausdrücklich als Quelle der Rechtsschöpfung anerkannt.
( Ausnahme: Weder Tunesien noch Algerien oder Marokko haben in ihren Verfassungen einen Hinweis auf das islamische Recht als Quelle ihrer Gesetzgebung verankert.)
Vor allem Rechtsbereiche, wie das Personen-,Familien-,Erb- und Eherecht basieren hier überwiegend auf der Scharia.

In anderen Rechtsbereichen, zum Beispiel dem Zivil-,Handels- und Wirtschaftsrecht, orientiert man sich an westlichem Recht, v.a. dem französischen oder englischen Recht. Bis heute ist diese Mischung - mit unterschiedlicher Ausprägung - im arabischen Raum vorherrschend.
Quelle: G. Kratochwil

Ergo: Frau untersteht der Scharia

Gruß
amiena

Elisa
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Beitrag von Elisa » 09.04.2009, 07:11

http://www.inamo.org:8080/inamo/

siehe hier.

Religiöses und weltliches Recht im heutigen Ägypten
von Jörn Thielmann

1980 hatte der damalige Präsident Anwar al-Sadat Artikel 2 der ägyptischen Verfassung ändern lassen. Waren die Grundsätze des islamischen Rechts bis dato eine Quelle der Gesetzgebung, waren sie nun die Hauptquelle. Diese vermeintliche «Islamisierung des Rechts» war der Höhepunkt einer langjährigen Debatte, die bereits im 19. Jahrhundert mit den Rechtsreformen der Khediven, der osmanischen Herrscher Ägyptens, begonnen hatte. Nicht zuletzt von der Muslimbruderschaft seit den 1930er Jahren immer wieder aufgegriffen, hatte das Thema nach der Niederlage Ägyptens im Krieg gegen Israel 1967 neue Nahrung gefunden.

pauline_stra
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Beitrag von pauline_stra » 09.04.2009, 13:27

barbara hat geschrieben: Hi Pauline,

wo kann man diesen Gesetzesauszug lesen,schwarz auf weiss?
Und "frei reisen" ist ein dehnbarer Begriff.
Von A nach B innerhalb Ä. oder von Ä nach D.


Barbara
Hallo Barbara,

schau dir dazu bitte folgenden Link an: http://papyrus-magazin.de/archiv/2005_2 ... sreise.htm

Ich zitiere daraus mal folgendes:
In den letzten Jahren haben sich einige Änderungen in der ägyptischen Gesetzgebung zugunsten der Frauen ergeben. Eine dieser Änderungen bezieht sich auf die Reisefreiheit.

Im Jahre 1959 unterlag dem Innenminister mit Einverständnis des Außenministers die Entscheidung über Ausstellung, Gültigkeitsdauer und alle sonstigen Belange eines Reisepasses (Gesetz Nr. 97, Paragraph 8).

Ebenso konnte er den Reisepass verweigern oder auch einziehen (Gesetz Nr. 97, Paragraph 11). Aufgrund dieses Gesetzes übertrug der Innenminister die Verantwortlichkeit auf den Ehemann oder den Vater durch in Kraft Setzen des Beschlusses Nr. 3937 des Jahres 1996 (Abs. 3).

Somit war es für die Ehefrau und die minderjährigen Kinder unmöglich, sich ohne die schriftliche Erlaubnis des Ehemannes einen Reisepass ausstellen zu lassen oder die Arabische Republik Ägypten zu verlassen.

Im Jahre 2000 wurden diese Absätze jedoch außer Kraft gesetzt, da sie gegen das ägyptische Grundgesetz verstoßen. Die rechtliche Grundlage für die Reisefreiheit der Ehefrau und der minderjährigen Kinder sind die Paragraphen 41, 50, 51 und 52 des ägyptischen Grundgesetzes, gültig seit dem 11.September 1971.

Paragraph 41: Die persönliche Freiheit ist ein natürliches Recht, das nur im Falle eines Verbrechens angerührt werden darf. Niemand darf inhaftiert, durchsucht, eingesperrt oder in seiner Freiheit und seiner Bewegung eingeschränkt werden, wenn es nicht wegen dringender Ermittlungen oder aus Sicherheitsgründen der Gesellschaft erforderlich ist. Die Ausreisesperre wird durch einen zuständigen Richter oder die Staatsanwaltschaft verhängt.
Absatz 50: Es darf keinem Bürger der Aufenthalt an einem bestimmten Ort verboten, noch ein bestimmter Ort vorgeschrieben werden, sofern keine gesetzlichen Einschränkungen bestehen.

Absatz 51: Es darf kein Bürger ausgewiesen werden, noch darf ihm der Zugang zu seinem Land verweigert werden.

Absatz 52: Die Bürger haben das Recht, zu jeder Zeit endgültig oder vorübergehend das Land zu verlassen. Das Gesetz regelt dieses Recht, die Verfahren und die Bedingungen der Auswanderung.

Jede weitere Gesetzgebung sollte diesem Grundgesetz unterliegen und nicht widersprechen.

Wenn der Ehemann also seine Frau oder seine minderjährigen Kinder an der Ausreise hindern will, muss er dafür einen gerichtlichen Beschluss beantragen und wichtige Argumente, Beweise und Begründungen vorlegen, um die Ausreise der Kinder mit ihrer Mutter verhindern zu können, weil dies eigentlich die Ausnahme bleiben sollte. Ein derartiger Gerichtsbeschluss ist unter den jetzigen Umständen jedoch nur sehr schwierig zu erhalten.
Ein Problem entsteht, wenn Kleinkinder in der Pflegschaft ihrer ausländischen Mutter sind. Liegen gerichtliche Streitigkeiten zwischen den Ehepartnern vor, versucht der Vater in einem Schnellverfahren ein Ausreiseverbot zu verhängen und begründet dies mit der Sorge, dass die Mutter mit dem Kind nicht wiederkommen würde. Dieser Antrag auf Ausreiseverbot des Kindes wird mit höchster Wahrscheinlichkeit abgelehnt.....
Gruß

Pauline

pauline_stra
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Beitrag von pauline_stra » 09.04.2009, 13:33

amiena hat geschrieben:Vor allem Rechtsbereiche, wie das Personen-,Familien-,Erb- und Eherecht basieren hier überwiegend auf der Scharia.

Ergo: Frau untersteht der Scharia

Gruß
amiena
Hallo Amiena,

du hast es selbst zitiert: die interessanten Wörter sind "überwiegend basieren".
Damit untersteht eine (Ehe) Frau in Ägypten also nicht der Sharia, wie sie sich aus Koran und Sunna ergibt sondern dem weltlichen ägyptischen Gesetz (in diesem Falle das Familienrecht). Rechtsquelle ist zwar u.a. die Sharia; diese wurde aber nicht 1:1 übernommen!

Gruß

Pauline

pauline_stra
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Beitrag von pauline_stra » 09.04.2009, 13:36

Hülya hat geschrieben:Hallo Pauline,

herzlich Willkommen im Namen des Teams von 1001 Geschichte.


Wir wünschen Dir einen guten und informativen Austausch.
Vielen Dank Hülya für deinen Willkommensgruß.

Pauline

Alexia
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Beitrag von Alexia » 09.04.2009, 20:48

Die Frau darf reisen - Kinder brauchen die Zustimmung des Vaters, selbst wenn Du eine schriftliche Zustimmung des Vaters hast kann sie telephonisch gecancelt werden.
Gemeinsam sind wir stark!

look_forward
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Beitrag von look_forward » 09.04.2009, 22:03

Ich bin gerade mit meinen Kindern nach Ägypten gereist und brauchte keine Zustimmung des Vaters vorzeigen. Es wurde nicht mal danach gefragt, obwohl sie nur ägyptische Vor- und Nachnamen haben und auch das Aussehen. Die Zustimmung hätte er mir sowieso auch nie gegeben und wie schon geschrieben, was nützt sie mir, wenn sie sowieso widerufen werden kann.

LG
look_forward
Es erfordert mehr Mut, seine Absichten zu ändern, als an Ihnen festzuhalten.
(Friedrich Hebbel)

Mariam1982
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Beitrag von Mariam1982 » 09.04.2009, 22:14

Hallo!!!!!!!
Also ich konnte bis jetzt auch immer ohne Probleme mit meinem Sohn in Ägypten ein- und ausreisen. Man hat mich noch nie nach irgendwelchen Papieren gefragt.

LG Mariam

Anaba
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Registriert: 12.03.2008, 16:36

Beitrag von Anaba » 11.04.2009, 09:21

Mariam1982 hat geschrieben:Hallo!!!!!!!
Also ich konnte bis jetzt auch immer ohne Probleme mit meinem Sohn in Ägypten ein- und ausreisen. Man hat mich noch nie nach irgendwelchen Papieren gefragt.

LG Mariam
Dann habt ihr Glück gehabt.
Ich würde mich nicht darauf verlassen.
Denn es geht auch anders. :evil:
Liebe Grüße
Anaba

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Hans Kupka, hingerichtet 1942

KIKI0504
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Beitrag von KIKI0504 » 01.06.2009, 18:29

Wenn die Menschen sagen, sie hätten ihr Herz verloren, ist es meistens nur der Verstand ( R Lembke)

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