Hallo allerseits,
habe mir mal den Urfi-Thread durchgelesen und will mal meine Gedanken und mein Wissen aus meinem Studium hier anbringen:
Also erstmal finde ich es erschütternd, daß Frau auch noch, so ich das dem Fragenkatalog entnehme, mehr oder weniger für diesen Urfi-Kontrakt bezahlen muß!!! Der Habibi kann sich schon keine tolle Hochzeit leisten und dann muß Frau auch noch für die paar Kröten aufkommen, die er vor dem Imam/Mullah hinblättern muß, damit der den Urfi-Kontrakt aufsetzt? Kann er als Mann nicht mal das bezahlen? Das ist ja widerlich! Das Wort Urfi kommt im übrigen vom arabischen Wort Urf, das heißt so viel wie Gewohnheit, Brauch.
leah_neu hat geschrieben:also da habe ich diesmal wohl was missverstanden. ich dachte alle ehen, die nicht standesamtlich, sondern nur islamisch, also meinetwegen in der moschee geschlossen werden, heißen urfi.
also er hat sie jedenfalls so geheiratet: zu hause mit zwei zeugen. hat ihr für den fall der trennung einen prozentteil seines einkommens versichert. sie hätte auch in wilder ehe mit ihm gelebt. er wollte diese verpflichtung eingehen.
Hallo Leah,
dann ist der Mann eine freiwillige Verpflichtung eingegangen. Normalerweise vereinbaren beide Seiten einen bestimmten Geldbetrag für die Frau, aber nur für die Zeit, wie beide miteinander verheiratet sind. Bei den Schiiten, wo die von vornherhein zeitlich befristete Zeitehe (sigheh) im Iran ja völlig legalisiert wurde, ist diese dort recht beliebt und gewinnt auch in den arabischen Ländern immer mehr Anhänger, vor allem durch die Rückkehrer aus Afghanistan propagiert. Deshalb gibt es ja neuerdings auch Zwei-Stunden-Urfi-Verträge, also nichts weiter als rechtliche Ummäntelung für Prostitution. Die Einhaltung der Zahlungen, egal ob während oder nach der Ehezeit, falls die Ehe laut Vertrag befristet sein sollte, kann sowieso nicht überwacht werden. Kein Alim/Mulla/Imam wird seine Häscher aussenden, wenn eine Europäerin zu ihm kommt und ihr Urfi-Entgelt einklagen will, daß der säumige Gatte vergessen hat, ihr zu geben, nachdem er sein Vergnügen hatte. Insofern ist man bei so einer Urfi-Ehe wirklich auf Gedeih und Verderb dem Ehemann ausgeliefert.
maylove hat geschrieben:Es geht nicht darum, den Urfi-contract als prima darzustellen, sondern um die eigene Entscheidungsmöglichkeit.Absolut unstrittig ist, dass sich die orientalische von der deutschen Denkweise unterscheidet, ist auch müßig darüber zu diskutieren.
Liebe Maylove,
dieses Argument bringen die Orientalen doch immer gerne vor und du läßt dich da auch noch gerne einwickeln! Nach dem Motto, du bist Deutsche - du verstehst das nicht. Ja, du verstehst etwas nicht, und zwar, daß es einen Unterschied gibt, ob ein junges verliebtes ägyptisches Pärchen noch kein Geld für die Hochzeit hat, oder ob ein meinetwegen Ägypter einer deutschen Frau erzählt, das wäre der einzige Weg, legal Sex zu haben, weil er vielleicht schon verheiratet ist, sie das nicht weiß oder weil er es eben nicht ernst mit ihr meint und sich bei nächster Gelegenheit aus dem Staube machen will. Und da die Orientalen selbst in ihrer Mehrheit eine Urfi-Ehe ablehnen, kann das Denken von Deutschen und Orientalen doch nicht ganz so verschieden sein;)
Leah neu hat geschrieben:ich kenne aber hier in deutschland einen deutsch-sudanesen, der seine deutsche lebensgefährtin "geurfit", um für sich diese partnerschaft vor Gott zu legalisieren. so gesehen finde ich das natürlich eine gute sache, die komplizierte standesamtl. eheschließung zu umgehen. Er ist diese urfi-ehe hier in deutschland mit einer deutschen eingegangen, weil er eben echt religiös ist, und das somit für ihn eine legitime ehe geworden ist. die zwei haben inzwischen einen kleinen sohn und leben seit drei jahren zusammen.
Hallo Leah Neu,
Wenn er so religiös ist, wieso heiratet er sie dann nicht richtig? Vielleicht deshalb nicht, weil er im Sudan schon verheiratet ist? Er muß ja hier in Deutschland keine kostspielige Hochzeit machen. Aber zum Standesamt gehen, das sollte drin sein.
Für alle, die es noch nicht wissen: Die Kinder, die aus einer Urfi- oder Zeitehe hervorgehen, kommen IMMER zum Mann und werden dann von dessen richtiger Frau aufgezogen, ob sie das will oder nicht.
Maylove hat geschrieben:Diese Form der Eheschließung ist mir nicht bekannt.
Die Urfi-Ehe gibt es nur in Ägypten und ich glaube vereinzelt in den arabischen Emiraten.
Amely hat geschrieben:Ich wusste bisher nicht, dass man auch hier in Deutschland eine
urfi-Ehe eingehen kann ?
Hallo Amely und Maylove,
ja, kann er. In jeder versifften Hinterhofmoschee hier in Deutschland und überall auf der Welt kann er das, wenn ihm dort ein von z.B. von Saudi-Arabien ausgebildeter und finanzierter Imam mit zwei bereitgestellten Zeiten so einen Wisch ausstellt. Wird bei den deutschen Behörden und woanders ja nicht gemeldet und ist dann also völlig wild, wenn er keine Register führt, wo man Einblick nehmen könnte. Aber warum sollte man, wenn es nach deutschem Recht eh wertlos ist. Wenn das wirklich immer was kostet, dann ist das ja wohl für die Imame auf der ganzen Welt eine tolle Einnahmensquelle

Aber warum soll der Herr auch umsonst arbeiten. Hat ja schließlich studiert und unsere Notare wollen auch Geld sehen, wenn sie für wen Schriftstücke aufsetzen. Ob so eine Urfi-Ehe dann jedoch im jeweiligen Land wirklich anerkannt ist, das ist je nach Land verschieden. In Saudi-Arabien und Ägypten und den Emiraten ist es schon legal, dann kann die Frau also schon etwas einklagen, aber z.B. in Tunesien und der Türkei ist es das nicht. Urfi ist, wie das Töten eines vom Islam Abgefallenen, eben ein Gewohnheitsrecht, welches vom Islam akzeptiert ist, jedoch nicht immer im positiven Recht der Staaten so verankert ist, wenngleich es natürlich in den islamischen Staaten als Kavaliersdelikt gilt, wenn ein Apostat getötet wird und eine Urfi-Ehe in Tunesien auch nicht strafrechtlich verfolgt wird.
PS: Ich wollte nochmal auf die rechtliche Stellung der Urfi-Ehe im Islam eingehen:
Es gibt ja fünf Kategorien, in welche Handlungen im Islam eingeordnet werden:
1. Wajib واجب (Pflicht)
2. Mustahab مستحبّ (erwünscht)
3. Halal/Mubah حلال (erlaubt)
4. Makruh مكروه (verpönt)
5. Haram حرام (verboten)
Urfi ist in dieser Reihe als Halal eingestuft, also als absolut erlaubt.
Hier ein Artikel auf Englisch aus der Al-Ahram, der halbamtlichen ägyptischen Tageszeitung:
http://weekly.ahram.org.eg/2009/976/feature.htm
Und hier ein Artikel der saudi-arabischen Arab News über Misyar, wie das in Saudi-Arabien genannt wird:
http://www.arabnews.com/?page=9§ion=0&article=64891
LG
Steckchen
Die Liebe vernachlässigt diejenigen am meisten, die ihrer am meisten bedürfen.
(Madame de Rosemonde im Film: Gefährliche Liebschaften (Regie: Stephen Frears) 1988