Hallo!
Ich bin eine Ex-Konvertitin. Ich habe ca. 6 Jahre mit dem Islam gelebt. Ich habe Kopftuch getragen, mich möglichst an die Vorschriften gehalten usw.
Warum?
Ich wollte nach der Hochzeit dem A.... sicher etwas recht machen, das wollte ich mir damals nicht eingestehen, jetzt tue ich das, ich versuche, die Sache zu reflektieren. Ich muss sagen, dass ich in meiner Jugend bereits immer etwas extrem war, genauer darauf einzugehen ist hier nicht richtig. Aber mir hat ganz klar das Gefühl von Familie, Zugehörigkeit immer etwas gefehlt. Ich bin immer etwas "geschwommen", auf der Suche nach DEM Zuhause für mich. Der Islam bietet vordergründig so ein "Zuhause". Es ist alles ganz klar geregelt, eine Schwarzweißsicht, die anfänglich viel Sicherheit gibt. Vor allem wenn man in Bezug auf sein eigenes Lebensmodell unsicher ist, ist die Religion also im ersten Moment DIE Lösung.
Dazu kommt: Mein Ex hat von Beginn an durchleuchten lassen, dass ich keine Tunesierin bin - also mies. Durch den Islam waren wir quasi gleich, wir hatten einen Mittelpunkt, ohne "besser oder schlechter". Ich meine hier die Gefühlsebene, nicht die gelebte Realität.
Dazu kommt: Ich hatte plötzlich Leute, die mich in meiner irren Entscheidung unterstützten, dass ich Trottel geheiratet habe. Alle Verwandten und Freunde haben sich die Haare gerauft und mich gerechtfertigt verunsichert, was die Heirat betraf. Und dann hast du plötzlich viele "Schwestern", die dich toll finden, die dich bestärken. Das hilft schon, um sich ein Scheinbild aufrecht zu erhalten.
Ich habe ehrlich versucht, den Islam korrekt zu leben, ich bin sehr wohl dahinter gestanden. Alle negativen Punkte habe ich ausgeschaltet. Und wenn es doch einmal "kritisch" wurde, gab es immer jemanden, der die Dinge so "erklären" konnte, dass sie nicht mehr so schlimm waren. Also in Bezug auf Stellung der Frau usw. Währen dieser Zeit war ich überzeugt von meiner Entscheidung. Ich habe viel für mich mitgenommen, was nicht immer gut ist, aber was ist das schon im Leben?
Gecrasht bin ich grundsätzlich immer wieder, einfach weil cih mich nicht komplett untergordnet habe. Es gibt einige Konvertitinnen, die ähnlich denken, auch "Clubs" gründen, in denen zB zu diversen Themen diskutiert wird. Das waren meist 70% Konvertitnnen und der Rest waren Frauen mit anderen Hintergründen. Aber es ist immer aufgefallen, dass Konvertitinnen besonderes Interesse an gehobenen Gesprächen/Bildung haben. Ich würde keinesfalls alle Frauen als doof bezeichnen, gerade die ich kennengelernt habe waren oft sehr starke Persönlichkeiten, manche von ihnen sind auch konvertiert bevor sie geheiratet haben.
Um so mehr ich mich mit dem gelebten Islam beschäftigt habe, um so mehr Risse hat die Religion bekommen, war nicht mehr vereinbar mit meiner Vorstellung von Freiheit. Aber das war eben auf mich bezogen. Nach dem Ende der Ehe war ich mir nicht sicher, wie es weitergeht. Aber es ist dann ziemlich schnell so gewesen, dass ich meine persönliche Freiheit in allen Zügen gelebt habe, eben auch in Bezug auf die Religion.
In der Zeit, in der ich Kopftuch getragen habe, wurde ich oft angefeindet, von Leuten, die nicht wussten, dass ich Konvertitin bin, also einfach mal auf der Straße beschimpft. Das war sehr prägend und lässt mich die Dinge/Aussagen heute etwas differenzierter sehen.
Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass ich einen Schuss habe. Ich denke, dass jeder Mensch seine Unsicherheiten hat. Die, gepackt mit einem manipulativen Habibi und einer muslimischen Gesellschaft, die dich mit offenen Armen aufnimmt sind oft ein Grund zu konvertieren. In der Familie im Heimatland kommt es natürlich gut an, wenn man Konvertitin ist. Besser drauf im Islam als Schwägerinnen! Ich war so etwas wie das Vorzeigehündchen. "Schau mal, unser Sohn hat die Frau gerettet" Kommt doch gut. Dass das Söhnchen nebenbei alles vögelt was nicht bei drei auf den Bäumen ist, wird ignoriert - so viel zur Ehrlichkeit.
Jetzt, im Nachhinein ärgere ich mich über die Jahre, in denen mir so ein richtig guter Bauchspeck entgangen ist.
Aber ich würde nicht sagen, dass diese "Reise" der absolute Fehler war, auch weil ich dadurch viele Dinge, denen ich jetzt begegne anders beurteilen kann und sicher kritischer bin.
Wenn jetzt irgendwas unklar war, bitte fragt. ich fahre heute für ein paar Tage weg, bin aber bald wieder da!

LG Daisy