Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

zum Thema Bezness

Moderator: Moderatoren

Antworten
Slawine
Beiträge: 17
Registriert: 08.02.2019, 14:19

Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Slawine » 09.03.2019, 17:36

Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen (kleiner Scherz nach dem Weltfrauentag),

seit mehreren Jahren bin ich hier stille Mitleserin. Ich selbst habe keinen Migrationshintergrund, innerhalb meiner Familie sind auch alle deutsch, auch mein engster Freundeskreis ist alles andere als divers. Das nur vorab, damit ihr versteht, weshalb ich hier dieses Thema anstoßen möchte.

Meine ersten echten Berührungen mit anderen Kulturen hatte ich, als ich zum Studium in eine größere Stadt zog. Die vielen Farben, Kleidungsstile und religiösen Bekenntnisse beeindruckten mich. Als Landei war es für mich spannend zu sehen, wie verschieden Menschen sein können.
Als im Jahre 2015 die große humanitäre Katastrophe auf uns zu kam, sah ich mich gezwungen zu helfen! Ich meldete mich beim Flüchtlingsfreundeskreis an und half auch einigen ehrlichen Menschen.

LEIDER waren auch Flitzpiepen dabei. Die versuchten ihren Aufenthalt durch Heirat zu erschleichen. Einige waren auch hartnäckig. Das fruchtete nicht bei mir aber ich bemerkte in den letzten Jahren, dass sich leicht rassistische Tendenzen in meinen Herzen breit machen.

Pauschalisierungen, Gedankenkarusselle, negative Bilder - alles Merkmale rassistischer Tendenzen.
Wenn ich zuvor eine helle Frau mit dunklem Partner (Alter egal) gesehen habe, dachte ich mir lediglich, dass das ein Paar ist. Jetzt aber ist mein erster Gedanke: Ach, eine Passbeziehung/er will nur Aufenthalt/diese idiotische Kuh.

Nun zu meiner Frage: Wie ergeht es euch? Konntet ihr auch diese Gedanken bei euch feststellen? Wie macht ihr euch davon frei? Menschen nach ihrem Aussehen zu verurteilen(!) ist ein Zeichen von großer Beschränktheit und eines will ich nicht sein: Beschränkt.

Liebe Grüße

Juliette0583
Beiträge: 105
Registriert: 14.10.2018, 01:33

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Juliette0583 » 09.03.2019, 18:08

Bei mir genau umgekehrt. Ich war früher sehr rassistisch, deswegen auch kaum vorstellbar das ausgerechnet ich einmal am schlimmsten leide deswegen. Als es dann passierte und ich ihn kennen lernte dachte ich immer das es passiert ist um mich wach zu rütteln, das alle Menschen gleich sind. Aber es hat mir nur gezeigt das ich meiner Meinung hätte treu bleiben sollen. So hart wie es jetzt klingt!

gadi
Beiträge: 9859
Registriert: 05.06.2014, 18:56

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von gadi » 09.03.2019, 18:19

Feroz Khan:

Seit der Schande von Köln wechseln auch offensichtlich Linke in der Dresdner Altstadt die Straßenseite wenn einem einer optisch wie ich entgegen kommt.

Es ist menschlich, weil im tiefsten Inneren wir alle unser Verhalten an die jeweilige vorherrschende gesellschaftliche Realität und nicht an irgendwelche Ideologien anlehnen.
Moderatorin
gadi@1001Geschichte.de
...................................
Betrügen entehrt, Irrtum nie. C.L.
من عاشر قوما اربعین یوما یا صار منھمیا رحل عنھم - Wer 40 Tage bei einem Volke weilt, wird einer von ihnen oder wandert weiter.

Cimmone
Beiträge: 5652
Registriert: 16.11.2018, 07:05

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Cimmone » 09.03.2019, 18:34

Hallo,

bis zu meiner Erfahrung war ich kein bisschen rassistisch, hatte eine neutrale Haltung zu den Menschen mit Migrationshintergrund.

Als ich meine schicke Regenbogenbrille trug, schaute ich mit liebevollem Herzen auf eben diese.

Als mir der Betrug gewahr wurde, fand ich, man solle doch das ganze Heimatland "meines" Betrügers einmal anheben und komplett ins Meer kippen.

Nun differenziere ich langsam: die, die hier leben und ihr Ding machen und dabei niemandem schaden... und denen, über die wir uns hier austauschen.

Ich darf jetzt lernen, Nettigkeit von "Nettigkeit" zu unterscheiden. Und dabei helfen die Hinweise über allgemeinen Umgang sehr.
Sucht einer, wie neulich, Augenkontakt zu mir - Bösewicht...
Weil das alles noch so "neu" ist, sprich ich lerne um, kann ich nocht nicht souverän damit umgehen - und bin förmlich gerannt. Au weia
"Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht." Kurt Tucholsky

Cimmone 🐬
Moderatorin
Cimmone@1001Geschichte.de

Justicia

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Justicia » 09.03.2019, 19:01

Liebe Slawine,

ich kann deine Gedanken sehr, sehr gut nachvollziehen.
Ich glaube, dass ich ähnliches hier im Forum sogar schon mal angesprochen habe, aber das ist lange her.

Für mich habe ich diese Gefühle, die du beschreibst, als Anpassung an die stetige, gesellschaftliche Entwicklung kategorisiert. Immer wieder hinterfrage ich mich erneut. Zum Teil ist das sicherlich berufsbedingt, wo ein gewisses Bewusstsein über Vorurteile unabdingbar ist, aber sicher ist es auch meine persönliche Entwicklung, die da mit rein spielt.

Ich möchte dir nur einen Tipp geben: Geisel dich nicht!
Deine Gedanken sind begründet und berechtigt. Du bist nicht eines morgens aufgewacht und hast gesagt, "So, ab heute denke ich diskriminierend". Eine Vielzahl an Erfahrungen und Erlebnisse habe deine Schlussfolgerungen geformt.

Ich finde solche Labels wie "rassistisch" ohnehin schwierig und nutze sie deswegen in der Regel nicht. Letzlich ist es ein Wort, von denen alle meinen, sich würden verstehen, was dahinter steht, aber die Bedeutung ist für jeden eine andere.
Jeder Mensch hat Vorurteile. Wir brauchen sie zum (gesellschaftlichen) Überleben.

Das künstlich abzutrainieren endet dann im umgekehrten Rassismus, was auch nicht gerade förderlich ist.

Du bist kein schlechter Mensch, nur weil du für dich selbst bestimmte Konsequenzen ziehst. Red dir das nicht ein!

Du denkst nach. Du hinterfragst. Du bist empathisch. Das sind alles Stärken. Eine Stärke ist es aber auch, für sich selbst zu sorgen. Dau gehört es auch, an sich zu denken. Wem kannst du eine gute Zukunft bieten, wenn du dir selbst keine bist? Das klingt so egoistisch, aber meine Erfahrung ist, dass ich am meisten leisten kann, wenn ich mit mir im Reinen bin.
Wenn ich für mich etwas begründen kann und sich das richtig anfühlt, warum sollte ich das ändern? Weil man das nicht sagt? Weil man das nicht denkt? Macht für mich keinen Sinn.

Du läufst doch nicht durch die Gegend und drückst jeden deine Meinung auf. Du nimmst dir das heraus, was sich andere sich auch herausnehmen: Deine eigenen Ziele, Wünsche, Einstellungen. Alleine dein Beitrag zeigt ja schon, dass du differenzierst.

Bevor Bezness einen Namen bekam, war Bezness bereits da. Es gibt hier auch Threads, in denen klar bekundet wird, dass wenige oder gar keine Anzeichen für Bezness vorliegen. Diese Aufklärung hier hat nichts mit Rassismus zu tun.
Wir haben nicht traditionelle, kulturelle oder religiöse Regeln erschaffen, sondern tragen sie anhand von selbst gemachten Erfahrungen oder angeeignetem Wissen zusammen. Deshalb hat Warnung oder eher Aufklärung auch nichts mit Rassismus zu tun.

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Beitrag ein bisschen Mut zu sprechen oder dir deine Bedenken nehmen. Du machst absolut nichts falsch, wenn du nachdenkst und diese Gedanken in dein Herz lässt. Wo sollten sie denn sonst hin? :wink:
Es ist eine Prozess. Du wirst dich mal sicherer, mal unsicherer fühlen. Lass dich nicht abschrecken. Die Augen zu verschließen ist ein viel größeres Problem als sich zu fragen, ob man dieses oder jenes Wort benutzen darf.

brighterstar007

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von brighterstar007 » 10.03.2019, 14:46

Hi Julija,

Es reicht aus, wenn Frau/man sich aufgrund von eigenen Leiderfahrungen hier oder
An anderen Stellen informiert und austauscht. Außerdem ist es klar, dass wir in Zukunft
Vorsichtiger mit Menschen aus anderen Kulturen umgehen, vielleicht mehr Grenzen setzen
Oder uns auf manches gar nicht erst einlassen.

Liebe Grüsse Brighterstar

Justicia

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Justicia » 10.03.2019, 15:04

Salwine schreibt:
Nun zu meiner Frage: Wie ergeht es euch? Konntet ihr auch diese Gedanken bei euch feststellen? Wie macht ihr euch davon frei? Menschen nach ihrem Aussehen zu verurteilen(!) ist ein Zeichen von großer Beschränktheit und eines will ich nicht sein: Beschränkt.
Ich antworte auf genau diese Fragen mit der gleichen Offenheit und Ehrlichkeit, die Slawine brauchte um diesen Thread zu erstellen.

Was willst du nun mit deinem Beitrag an mich aussagen?

Merkt dir bitte, dass du nicht entscheidest, wer aus welchem Grund in diesem Forum teilnimmt! "Außerdem ist es klar"... sorry, bei dir ist manchmal gar nichts klar und das nervt nur noch.

Wenn du kein Verständnis für Slawines gedankliche Hin- und Hergerissenheit hast, ist das kein Ding, brauchst du nicht. Aber dann unterlasse doch bitte auch herablassende, oberlehrerhafte Kommentare.

brighterstar007

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von brighterstar007 » 10.03.2019, 18:27

Ich will damit aussagen, dass es keine( gute) Lösung ist, alle über einen Kamm zu scheren,
Jedoch am eigenen Verhalten zu arbeiten ( Nein sagen, Grenzen setzen, mehr hinterfragen etc.).
Dies können wir nämlich beeinflussen.

Liebe Grüße Brighterstar

Anissa
Beiträge: 284
Registriert: 02.10.2017, 20:01

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Anissa » 10.03.2019, 22:32

Ich denke, es geht nicht darum, nicht beschränkt zu sein, sondern gut orientiert.

Im Sommer 2015 war ich in Schweden, dort auch in einem grossen Park allein, und die Typen, die dort unterwegs waren, kamen mir etwas ungemütlich vor.
Ich hatte aber null Misstrauen.
Im Bus zum Flughafen versuchte ein Farbiger mich zu missionieren, muslimisch.
Erst im Nachhinein konnte ich diese Vorkommnisse zuordnen.

Jetzt bin ich sozusagen auf der Hut wenn ich Klienten mit einschlägigen Namen bekomme, weil ich schon Erfahrung mit Unzuverlässigkeit gemacht habe, bin aber bereit, sie jedes Mal neu anzuschauen, und mich zu entspannen wenn ich sehe, dass es ordentliche Leute sind.

So ist es für mich leichter und ich habe weniger Enttäuschungen, kann meine Grenzen besser wahren, wenn notwendig, und habe auch kein schlechtes Gewissen.

Wir alle haben uns diese Entwicklung nicht so ausgesucht, müssen aber mit den Realitäten im Sinne eine (möglichst) guten Gemeinschaft unter Aufrechterhaltung notwendiger Grenzen und notwendigem Selbstschutz umgehen.

L G Anissa

Desert Dancer
Beiträge: 802
Registriert: 29.03.2008, 12:30

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Desert Dancer » 11.03.2019, 12:16

Nun zu meiner Frage: Wie ergeht es euch? Konntet ihr auch diese Gedanken bei euch feststellen? Wie macht ihr euch davon frei? Menschen nach ihrem Aussehen zu verurteilen(!) ist ein Zeichen von großer Beschränktheit und eines will ich nicht sein: Beschränkt.
Liebe Slawine,
auch mir geht es so, und ich finde es furchtbar. Meine Eltern haben mich vollkommen wertefrei erzogen, was andere Kulturen betrifft. Und heute habe ich auch oft Vorurteile. Und auch oft ein schlechtes Gewissen deswegen.

Aber letztendlich muss ich mir sagen, dass ich mich davon nicht mehr ganz frei machen will. Denn diese Vorurteile resultieren aus REALEN Erfahrungen, die ich Verlauf meines Lebens gemacht habe. Und es wäre auch nicht sehr klug, diese zu ignorieren.

Ich versuche jeden Menschen einzeln zu beurteilen. Aber wenn ich so eine Gruppe Typen im Park herumlungern sehe, dann habe ich schon meine vorgefasste Meinung. Und auch wenn ich binationale Paare sehe.
Ehemaliges CIB-Vereinsmitglied

Good thoughts, good words, good deeds…
Nobody but me can Keep me safe...

Nilka
Beiträge: 6114
Registriert: 22.01.2012, 14:50

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von Nilka » 11.03.2019, 12:32

Es geht uns allen so. Es ist nicht schön, aber wir haben uns, wie Anissa schrieb, diese Entwicklung nicht ausgesucht.
Wir müssen damit Leben und wir lernen jeden Tag dazu, ob wir wollen oder nicht. Die Einen passen sich der Realität an, die Anderen leugnen sie bis zur Unkenntlichkeit.
LG ♥ Nilka

Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt. Thomas Mann

gadi
Beiträge: 9859
Registriert: 05.06.2014, 18:56

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von gadi » 11.03.2019, 13:32

Desert Dancer hat geschrieben:
11.03.2019, 12:16

Aber letztendlich muss ich mir sagen, dass ich mich davon nicht mehr ganz frei machen will. Denn diese Vorurteile resultieren aus REALEN Erfahrungen, die ich Verlauf meines Lebens gemacht habe. Und es wäre auch nicht sehr klug, diese zu ignorieren.

Ich versuche jeden Menschen einzeln zu beurteilen. Aber wenn ich so eine Gruppe Typen im Park herumlungern sehe, dann habe ich schon meine vorgefasste Meinung. Und auch wenn ich binationale Paare sehe.
Ich finde, der Begriff "Vorurteil" stimmt nicht so richtig. Es ist eher eine Anpassung an Erfahrungswerte.
Moderatorin
gadi@1001Geschichte.de
...................................
Betrügen entehrt, Irrtum nie. C.L.
من عاشر قوما اربعین یوما یا صار منھمیا رحل عنھم - Wer 40 Tage bei einem Volke weilt, wird einer von ihnen oder wandert weiter.

karima66
Beiträge: 1992
Registriert: 20.03.2009, 12:54

Re: Gratwanderung zwischen Warnung und Rassismus

Beitrag von karima66 » 11.03.2019, 14:41

Sehe ich auch so, gadi, nicht vor, sondern nach den Erfahrungen geurteilt. Das Zitat von Feroz Khan triffst auch gut.

Ansonsten hat Desert Dancer mit jedem ihrer Worte kurz und knapp formuliert wie es mir auch geht.

Auch Julija wie immer klasse und ehrlich......beim lesen von BS dazu bekam ich mal wieder Schnappatmung, was reicht bestimmt sie zum Glück nicht, ihre Erklärung dazu mir völlig unverständlich, werde die Beiträge demnächst ignorieren.

Was mich mehr belastet in diesem Zusammenhang ist gerade wenn man aufgrund von Erfahrungen und Wissen die Gefahren erkannt hat und die Resultate unserer Politik und wo das hinführen wird, dass man trotzdem nichts tun kann um es aufzuhalten was passiert........

Antworten