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von chavah » 27.05.2021, 14:23
Wathani, du hast meine Antwort vorweg genommen. Wenigstens einer hier, der mich versteht, das meine ich sehr, sehr ernst.
Vielleicht mal mein Beispiel: ich kam in ein städtisches Gymnasium, also keine glaubensgeprägte Schule. Mein Vater musste gerichtlich durchsetzen, dass ich an keinem Religionsunterricht teilnehmen brauchte (immerhin wurde mir die freie Auswahl zwischen katholisch und evangelisch freigestellt), dass ich nicht am montäglichen ökumenischen Gottesdienst teilnehmen musste. Nachdem das klar war, musste ich mehrfach in der Deutschstunde aufstehen, die Deutschlehrerin war auch die Klassenlehrerin, und die Klasse wurde wieder und wieder darauf hingewiesen, dass dieses arme Mädel nicht an den Herrn Jesus glauben dürfe. Kann sich hier einer vorstellen, wie ich mich gefühlt habe?
Ich habe in meinem Leben wegen dieser Erfahrungen peinlichst drauf geachtet, ein ganz unauffälliges Leben zu führen, niemandem gesagt, welche Religionszugehörigkeit ich habe, meine Kinder auch so erzogen. Erst später habe ich angefangen, mich auch für die Menschen zu engagieren. Da war ich in Amt und Würden, mir konnte keiner mehr was, außer mein Auto zerkratzen (Judenhure). Meinem jüngsten Sohn wurde der Zugang zu einem katholischen Kindergarten verwehrt, es war der einzige im Viertel und quasi der städtische mit der Verpflichtung, alle Kinder aufzunehmen. Wurde auch aus Steuergeldern finanziert. Ich musste mir also eine private Kinderfrau halten.
Als ich um 1/4 Kraft (Sozialarbeiter, oder was vergleichbares) für die Gemeinde einstellen wollte zwecks Nachhilfe für die Russenkinder und Unterstützung der Erwachsenen, bestand nach dem Gesetz der Anspruch. Trotzdem erfolgte erst durch die Kommune eine Ablehnung mit der Begründung, Juden seien doch eh reich und sollten sich gefälligst selber helfen. Schließlich haben wir einen von der Stadt finanzierten Studenten eingestellt, da das auch prima machte, ach ja, Afrikaner und Christ.
Wir haben zwei adoptierte farbige Kinder aus Afrika hier in der Familie. Die Familie wohnte auf dem Dorf, als das Mädchen so etwa 15 Jahre alt war, da musste der ev. Pfarrer in der Sonntagspredigt von der Kanzel aus seine christlichen männlichen Schäfchen warnen: Hände weg von der *********, obwohl farbig und jüdisch ist sie kein Freiwild.
Also hier zu schreiben, Christen stellen sich nie über das Gesetz, das sind nur die bösen, bösen Muslime, sorry, da frage ich mich, in welchem Umfeld gelebt wird und wie man sich das erwünschte Lebensbild zurecht lügt.
Und ein Rabbi, der offen auf der Straße angegriffen wurde, der Täter war auch kein Muslime.
Mir ist einerlei, wer an wen glaubt oder auch nicht. Wirklich. Meinetwegen auch an den großen pumpkin, der ja irgendwann auf die Erde kommen soll. Nur ich spreche jeder Religion das Recht ab, zu sagen, sie sei die einzige und wende aus guten Gründen ihre Regeln an und nur ihre Regeln, die über dem Gesetz stehen. Und alle anderen sind die ganz bösen. Ich denke, es gibt Wege, langfristig die Radikalisierung zu bremsen, und zwar insgesamt, nicht nur die von Islamisten oder von rechts. Das ist die große Aufgabe. Ich würde mich freuen, wenn da endlich mal die grundgesetzliche Gleichbehandlung durchgezogen würde. Wirklich.
Chavah