Eine kleine Geschichte

zum Thema Bezness

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Daisy2510
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Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 04.01.2014, 22:15

Hallo,
ich musste vor kurzem eine Kurzgeschichte für meine Kids schreiben, die sie dann bei einer Arbeit analysieren sollten. Nachdem sie mit ihren Laptops mit dem I-net verbunden sind, musste es eine sein, die sie nicht im I-net finden können. So kam ich nach langer Zeit wieder zum Schreiben. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, nicht ganz, aber ok... Natürlich musste es ein schwarzes Thema sein, ich kann einfach nur schwarz schreiben. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch andere User manchmal eine kleine Geschichte reinstellen, entweder selbst verfasst, oder für gut befunden und geklaut. Es wäre auch schön, wenn wir diskutieren, interpretieren und kritisieren! :-) Hier mal mein Anfang:

Getroffen

Er traf zielgenau. Immer. Das hatte sie schon gelernt. Sie sollte ihn nicht ärgern, nichts sagen, damit nichts herausfordern. Er, der Prinz, den sie im Urlaub getroffen hatte. Der, nach einer schnellen Heirat – man muss ihn ja bei sich haben, plötzlich an Glanz verlor. Sie ist nicht gut, nicht gut genug. Ganz gleich, was sie tut, sie ist schlecht. Sagt er – er weiß es.

Schnell hat er andere Frauen getroffen. Sie lässt ihm ja nicht seine Ruhe, immer die Vorwürfe ihrerseits, damit drängt sie ihn ja in die Arme der anderen. Sie soll sich nicht aufregen, es hat keine Bedeutung. Nichts hat Bedeutung, am wenigsten sie. Worte können töten, Bilder noch mehr – Die Wahrheit ist das Ende. Doch das darf nicht sein, die Lüge erhält den Schein und den gilt es zu wahren. Ja, Mama, alles ist gut.

Eigentlich war ja einmal alles gut, damals, als sie ihn traf. Sie bemühte sich redlich, eine gute Frau zu sein. Was gut ist, wusste er. Es ging darum, für ihn gut zu sein – sein Wohlbefinden als oberstes Gut. Das zu erhalten war nicht einfach, aber sie kämpfte für ihren Traum von 1001 Nacht.

Er traf schon beim ersten Mal punktgenau – Blut spritzte, die roten Tropfen tropften langsam auf die bis dahin unbefleckte Hoffnung auf eine strahlende Zukunft. Der physische Schmerz war zweitrangig, er war eine Begleiterscheinung der Wut seinerseits und ihrer Schwäche. Es war das Ende ihres Traumes, das Bröckeln einer Idee von Zweisamkeit, das ihre Gedanken von nun an beherrschte.

Die Freunde sind betroffen, sie wollen nicht glauben, dass der strahlende Mann an ihrer Seite…. Nein, er nicht. Sie will es am wenigsten glauben und versucht es zu vergessen. Die, die glauben wollen, werden aus dem Freundeskreis geworfen. Sie wollen ihr nur Schlechtes, sie kritisieren ihre Beziehung, um die sie so kämpfen musste. Sie wollen nicht mit ihr den (Alp)traum träumen.

Alleine trifft sie die Entscheidung. Sie muss ihm ein letztes Mal beweisen, dass sie es wert ist, geliebt zu werden. Er sieht es nicht. Will nicht, kann nicht, wird nie, niemals sehen, wie sehr sie ihn liebt. Er scheitert an seiner Person und sie an ihm.

Hart trifft ihr Körper auf den kalten Beton.

Betroffenheit – zu spät.

Anaba
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Anaba » 04.01.2014, 22:30

Hallo Daisy,

danke für die Geschichte.
Hoffentlich machst du anderen Usern damit Mut auch etwas über sich zu schreiben.
Liebe Grüße
Anaba

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anaba@1001Geschichte.de

“Am Ende wird die Wahrheit siegen, über Ängste und gut getarnte Lügen.
Am Ende wird sich alles fügen und was jetzt am Boden liegt, wird schließlich lächelnd fliegen...“

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RenaII
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von RenaII » 05.01.2014, 00:44

Ich weiß nicht, ob dies eine Geschichte für "kids", ( was sind kids ? ), Kinder ist, denn der Schluß läßt nicht zu, daß SIE keinesfalls den harten Beton treffen MUSS, auf den das Blut spritzt, sondern dem Herzchen zeigt, das Frau in unserer westlichen Welt dieselben Rechte hat, wie ein Mann. Davon ist in dieser Story keine Rede.
Bei dieser Geschichte, fühlt sich ein Junge/Mann in seiner Position gestärkt, daß Frau gehorsam zu sein hat . Es wird in keinem Satz erwähnt, das Mann sich zu integrieren und sich seiner Frau und den Begebenheiten in Deutschland anzupassen hat. Dies ist ein Story, die mich persönlich böse macht. Sie wird keinen muslemischen Jugendlichen zum Nachdenken bringen, sondern ihn im Gegenteil darin bestärken, daß Frau zu gehorchen hat. Tut sie es nicht, wird geschlagen........... macht ja nix, sie liebt ihn ja so und wird schon gehorchen. Du erzählst mit keinem Wort, das du den "Kids" erklärt hast, wie man sich richtig verhalten würde. Es kommt mir vor, als ließet ihr die "kids" mit dieser Frage alleine.
Was hat sie falsch gemacht? War ihr Kopftuch schief, hat sie zuviel gefragt, statt grünem, den blauen Pulli getragen? Du kommentierst und erklärst nichts, läßt einfach stehen, was ein muslemisch erzogener Jugendlicher als völlig normal empfindet. Ein Moslem würde sagen, logisch, sie hat nicht gehorcht. Ihr lieben Sozialpädagagogen setzt ständig Dinge voraus die es einfach nicht gibt. Die Geschichte zeigt ganz deutlich auf,daß verschiedene Mentalitäten niemals zusammgehen kann. Was sagten denn deine deutschen Jugendlichen zu deiner Story?
Sicherlich bekomme ich von einigen Gutmenschen eine ganz böse Kritik, ich aber finde deine Story sowas von daneben. Du hast hier eine Erwartungshaltung, die sich niemals erfüllen wird. Würdest du diese Sache mit meinem Enkel diskutieren, ginge ich auf die Barrikaden.
Rena

hopeandglory
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von hopeandglory » 05.01.2014, 02:42

Ich denke, es geht hier hauptsächlich um das Wort "treffen" - in all seinen Varianten. Eine Kindergeschichte ist es allerdings wirklich nicht.

Oranna
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Oranna » 05.01.2014, 11:55

Diese Geschichte bietet auch einen Beitrag zu der Frage: warum unsere Kinder zu Tyrannen werden?

Es ist schon unglaublich, wie respektloses Verhalten der Kinder von den Eltern ignoriert wird.

Herzlichen Gruß
Oranna
ich liebe es jemandem beim Lügen zu zuhören, wenn ich die Wahrheit kenne.....

Evelyne
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Evelyne » 05.01.2014, 12:08

Ich finde, wenn hier schon Geschichten erzählt werden, sollten sie zumindest im Entferntesten mit Bezness zu tun haben.
So wie Daisy's ja auch. Daisy kannst Du uns bitte sagen, wie alt die Kinder sind, die mit Deiner Geschichte arbeiten sollten?
Evelyne
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Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 12:18

Hallo,
also zu erst mal, die Kids sind 16 Jahre alt, es handelt sich hier um eine Klasse, die rein aus Oberschichtkids besteht. Ich habe diesen Text nicht zur Interpretation, sondern zur Analyse gegeben, das ist ein Unterschied. Aufgebaut habe ich ihn auch deswegen so, aufgehängt am Wort "Treffen", da dieses viel hergibt. Darunter habe ich noch geschrieben, dass es von mir verfasst wurde und ich von einer Freundin inspiriert wurde, die eine gewaltbestimmte Ehe geführt hat. So viel zu den Randinfos. Die Kids waren mit Sicherheit nicht am Boden zerstört, als sie die Geschichte gelesen haben, die sind aus diversen Medien (leider) anderes gewöhnt.
Aaaaaber: Nach diesen Postings werde ich die Geschichte mit Sicherheit noch einmal am Mittwoch zur Interpretation freigeben. Ich habe als Pädagogin nicht den Anspruch, die Jugendlichen permanent zu belehren, das letzte was ich will, ist, dass sie mir nach dem Mund reden. Aber diskutieren und ihre eigenen Schlüsse müssen und sollen sie sammeln.
Ich denke, dass sie in dem Alter schon reif genug sind, einen Text als einen solchen zu erkennen, der ihre eigene Meinungsbildung erfordert, ohne von mir den Kommentar geschrieben zu bekommen: Das ist aber ganz schlecht, was da passiert. Denn dieses "das ist aber schlecht" haben sie durch den Inhalt ja quasi mit dem Hammer serviert bekommen.
Ich werde euch natürlich von den Erkenntnissen der Jugendlichen berichten. :-)
Ganz nebenbei, mit den Kleinen (12/13j) mache ich einiges zum Thema Gewalt, aber hier für das Alter entsprechend aufbereitet. Auch hier steht die Frage der Opferrolle oft im Mittelpunkt. Nur, dass ich mit den Kindern gemeinsam Strategien erarbeite.
Zu der anderen Geschichte:
Leider entwickelt es sich gesellschaftlich im Moment in eine Richtung, in der Kinder sich zwar "frei entfalten" können, dabei aber in eine egoistische Richtung von den Eltern getrieben werden, die beängstigend ist. Das Kind als Mittelpunkt des Universums, unangreifbar, nicht fehlbar und nicht dazu verpflichtet auf seine Umwelt zu achten.
So kommt es dann vor, dass sich 10jährige (ich habe Schüler im Alter von 10-18, österr. Schulsystem) eher zerfleischen, als dem anderen etwas zu gönnen. Es sind Kinder, die finanziell bestens gestellt sind, sozial aber absolut verkümmert sind.
So, ich gehe jetzt mal Tests verbessern. :-)
LG

Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 13:45

Hier ein kurzer Nachtrag: Aus der Arbeit eines Schülers: Diese Kurzgeschichte ist eine emotionale, realitätsnahe Beschreibung einer äußerst schlechten Ehe, aufgrund eines gewalttätigen und fremdgehenden Ehemannes, wie in unserer heutigen Gesellschaft leider recht oft vorkommt. Selbst die charmantesten Männer können sich als die schrecklichsten menschen entpuppen und Frauen mit körperlicher und seelischer Gewalt misshandeln.
Habe das wortwörtlich übernommen, der Schüler ist 16. Alle bisherigen Arbeiten gehen in die Richtung. Wie gesagt, ich werde die Geschichte noch einmal mit ihnen besprechen.
LG

Micky1244
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Micky1244 » 05.01.2014, 14:00

Aha, so sieht also inzwischen Deutschunterricht aus.
Liebe Grüße, Micky


"Lass uns angeln gehen", sagte der Haken zum Wurm.
Isaiah Berlin: Die Freiheit der Wölfe ist der Tod der Lämmer.

Franconia
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Franconia » 05.01.2014, 14:08

Zur Geschichte von Daisy:
Diese Geschichte ist wirklich keine "Kindergeschichte" im klassischen Sinn, aber

- Kinder lesen (gerade die älteren) auch mal Zeitung und die Meldungen dort sind oft auch nicht harmloser
- Kinder schauen TV wo immer wieder solche oder ähnliche Geschichten vorkommen (oder noch schlimmere Dinge)
- Kinder haben Zugang zum I-Net und da ist auch nicht alles voller Sonnenschein was sie zu sehen bekommen/sich ansehen

Das Thema Gewalt in der Familie ist immer noch ein Tabu, aber es kommt öfter vor als man denkt. Dabei ist es egal aus welchem Kulturkreis die Beteiligten kommen, kann also auch bei Lischen & Hänschen Müller von nebenan der Fall sein.
Ich finde es gut, dieses Tabu zu brechen - auch schon bei Kindern in dem Alter, denn sie können mehr ab als wir denken, sie haben mitunter auch schon mehr gesehen/erlebt als wir denken.
Gut fände ich es, wenn es nicht nur bei der reinen Textanalyse bleibt sondern wenn dieses Thema auch noch aufgearbeitet wird indem man mit den Jugendlichen darüber spricht, sie nach ihrer Meinung fragt und ihnen mit auf den Weg gibt, dass Gewalt ein absolutes NoGo ist, egal gegen wen und man dann noch ein Kapitel zur Gewaltprävention anschließt (Stichwort "vernetzter Unterricht")

Ich musste schmunzeln als ich das Wort "Oberschichtkids" gelesen habe.
Es hat etwas klischeehaftes an sich und ich bin, zugegebener Maßen, da auch nicht frei von einem gewissen Schubladen denken. Kinder, die alles oder vieles auf dem Silbertablett serviert bekommen, Familien in denen es vor allem darum geht den äußeren Schein zu wahren, etc.
Ich möchte nicht wissen wie oft der Schein auch oder gerade in solchen Familien trügt...
Denn eines muss klar sein, solche "Geschichten" kommen nicht nur in der Unterschicht vor oder in Migrantenfamilien - Nein, solche Dinge passieren durchaus auch in den "besseren Familien", wo es gilt den (Heiligen)Schein zu wahren. Und gerade dort wird es nicht vermutet, während man anderswo schon alleine aufgrund der Herkunft und/oder sozialen Stellung oft sagt "war ja klar" oder "war ja nicht anders zu erwarten".

Auch wenn diese Geschichte fiktiv ist, sie passiert täglich mehrmals - oft auch ganz in unserer Nähe!


Zu den Geschichten von Bigi:
That´s life!
Was du erlebt hast ist die Realität.
Kinder /Jugendliche die keinerlei Respekt mehr zeigen vor anderen, unabhängig vom Alter sowohl der "Täter" als auch der "Opfer".
Eltern die ihren Nachwuchs als "Nabel der Welt" sehen, Kritik an den eigenen Kindern als persönliche Beleidigung auffassen ohne zu hinterfragen oder auch nachzudenken.
Kinder die entweder verhätschelt werden, die alles dürfen, keine Regeln oder Verbote kennen (so züchte ich mir meinen eigenen Satansbraten :wink:)
Eltern die entweder nicht erziehen können (Zeitmangel wegen Job) oder nicht erziehen wollen und deren Kinder damit sich selbst überlassen sind und von anderen, gleichaltrigen "erzogen" werden.
Natürlich wissen Kinder schon recht früh was richtig oder falsch ist, aber wenn man ihnen bei falsch keine Konsequenzen aufzeigt werden sie nie lernen sich richtig zu verhalten. Oft hilft da dann leider nur der harte Weg um Eltern an ihre Erziehungspflicht zu erinnern, nämlich in den man sie (die Eltern) in die Verantwortung nimmt. Sei es bei kleinen Kindern (Supermarktgeschichte) bei gravierenderen Verletzungen die Eltern für z. B. die Arztrechnung zur Kasse bittet wenn sie anders nicht in der Lage sind ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen. Bei den älteren Jugendlichen würde ich mich nicht scheuen die Polizei dazu zu rufen und Anzeige wegen z. B. Sachbeschädigung zu erstatten und dann z. B. die Reinigungskosten einzufordern.

Übertrieben Reaktion meinerseits?
Ich finde nicht. Bei einem dermaßen respektlosen Verhalten hilft nur die harte Keule, denn anderes wird sich nichts ändern. Weder bei den Jugendlichen, die sich in der Gruppe megastark fühlen und an sich sonst vor Angst in die Hose machen, noch bei Eltern, die sich selbst wichtiger sind als ihre Kinder es für sie sein werden.
Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen. (Platon)

Franconia
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Franconia » 05.01.2014, 14:14

Micky1244 hat geschrieben:Aha, so sieht also inzwischen Deutschunterricht aus.
Ja, so sieht inzwischen Deutschunterricht aus.
Mein Junior (15) bekam im Deutschunterricht zur Textanalyse verschieden Zeitungsartikel vorgelegt. Einmal was aus dem Bereich Satiere, dann irgendwas aus dem Lokalteil und dann auch noch was politisches u. a. zum Thema Bundeswehr in Afghanistan und zur Wahl bzw. großen Koalition.
Da ist der Text von Daisy wenigstens verständlich und regt vielleicht auch den einen oder anderen zum Nachdenken an.
Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen. (Platon)

Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 14:46

Hallo,
"Oberschichtkids" war eine Reaktion auf einen Post, in dem angenommen wurde, ich habe den Text Kids mit Migrationshintergrund vorgelegt. Gewalt erleben diese Kinder oft, wenn auch eher in psychischer Form. Etwa "Meine Mutter sagt, dass ich schuld bin, weil sie keine Karriere machen konnte". DAS ist Gewalt in meinen Augen.
Zu dem Inhalt des D-Unterrichts: In Österreich werden 9 verschiedene Textsorten zum Abitur verlangt. Dazu gehört die Textanalyse. Natürlich sollen sie auch viel kreativ schreiben, aber in Prüfungssituationen ist es wichtig, zu erst mal die Textsorten zu festigen, die in 2 Jahren von ihnen verlangt wird. Und nebenbei: Das System ist nicht perfekt, nein, weit davon entfernt, aber ich gebe wirklich mein bestes. :-)
LG

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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Franconia » 05.01.2014, 15:55

Es war einmal...

So fangen doch Märchen immer an - oder?

Ein Mann, Mitte 30, nicht unbedingt ein Antonio Banderas oder Brad Pitt vom Äußeren, aber zumindest mit einem guten Ein- und Auskommen, gönnt sich einen Urlaub in Spanien. Keine Ahnung wo genau, aber es war wohl eine der Touristenhochburgen.
Eines Abends lernt er dort, ihr ahnt es sicher, eine Frau kennen, keine Spanierin sondern eine Latina.
Keine Ahnung wie dort hin gekommen war, denn sie machte auf alle Fälle keinen Urlaub. Ihr Job bestand darin den Gästen in der Bar ihre Drinks zu servieren - und den machte sie gut. Sie war schließlich auch auf das Trinkgeld angewiesen um sich all das leisten zu können, was sie wollte.
Die beiden wechselten ein paar Worte und der Mann kam während seines Urlaubs immer öfter und schließlich täglich in die Bar. Er hatte sich in die Frau verguckt. Da sie damals ihr Geld nicht für Reisen nach Deutschland ausgeben wollte und auch sein Geld für einen Besuch nicht annehmen wollte, flog der Mann immer öfter nach Spanien, bis er eines Tages seinen Rückflug nicht mehr alleine antrat.
Das war der Zeitpunkt an dem ich die beiden kennen lernte.
Sie war weiterhin fleißig, lernte Deutsch, suchte sich einen Job, denn sie wollte ihm nicht auf der Tasche liegen - sie hatte ja schließlich ihren Stolz. Und er war stolz auf sie, denn sie war anders als andere Latinos und Latinas. Sie machte sich nichts aus wilden Partys mit viel Alkohol, sie passte sich an, übernahm in kurzer Zeit die hiesige Mentalität von Pünktlichkeit. sorgte sich um ihn und verwöhnte ihn.
Er, der eigentlich nie an Heirat und Familie dachte träumte plötzlich vom großen Glück und machte ihr einen Antrag, den sie voller Freude annahm. Die Hochzeit selbst fand im kleinen Kreis statt, die Party danach war aber umso größer. Alles was sich in der Latinoszene tummelte war dabei, denn er fand, es wäre gut für sie wenn sie den Kontakt zu ihrer Heimat, zu ihren Wurzeln und ihrer Kultur nicht ganz verlor und sich den Charme ihrer Herkunft auch mithilfe Gleichgesinnter hier erhielt.

Irgendwann, es mag so ein halbes Jahr nach der Hochzeit gewesen sein, ging es dann auf Hochzeitsreise in die Heimat seiner Frau. Er wollte schließlich auch ihre Familie kennen lernen und ihnen danken, dass sie ihre Tochter so gut erzogen hatte, dass sie nicht war wie alle anderen Latinos die nach Europa kamen.
Er lernte ihre Familie kennen - aber anders als er es sich vorgestellt hatte. Er traf nicht nur ihre Eltern und Geschwister, ihre Onkel und Tanten sondern er lernte dort auch ihre Kinder kennen.
Kinder? Davon war bisher nie die Rede, mit keinem Wort hatte seine Frau in den ganzen Monaten vor oder nach der Heirat erwähnt, dass sie zwei Kinder hatte. Zwei Kinder, die sie bei ihren Eltern zurück gelassen hat um in Europa Geld zu verdienen.
Wer weiß was damals in ihm vorgegangen ist, es muss aber schon gewaltig gewesen sein und auch den ersten Schatten auf die sonst so harmonische Ehe geworfen haben.

Zurück in Deutschland setzte er alle Hebel in Bewegung um die Kinder hier her zu holen, denn Kinder gehören schließlich zur Mutter und die Schule sowie ihrer beruflichen Chancen sind ja hier auch viel besser als in der Heimat - so dachte er damals.
Sie war über seinen Aktionismus nicht so glücklich, bedeuteten die Kinder doch, dass sie wieder Verantwortung übernehmen muss, sich nicht mehr so oft mit ihren Latinofreunden treffen und Partys feiern konnte wie sie es inzwischen tat.
Er setzte sich durch und die Kinder, ein Mädchen damals 14 und ein Junge mit 5, kamen hier her. Er sorgte für einen Schulplatz, bezahlte Nachhilfe damit sie möglichst schnell Deutsch lernten und in der Schule mitkamen. Denn aus den Kindern sollte schließlich etwas werden.

Die Fassade bekam im Laufe der Zeit immer wieder kleinere und größere Risse, die Kinder entwickelten sich zwar prächtig und sagten Vater zu ihm und sahen ihn auch als solchen an, aber sie, die Ehefrau und Mutter, fühlte sich in die Rolle in die er sie gedrängt hatte zunehmend unwohl, suchte sich ihre Nischen und brach immer öfter aus dieser ihrer Rolle aus.

Die Tochter war durch und durch Latina, an sich ja nichts schlechtes oder falsches, aber je älter sie wurde, desto mehr bevorzugte sie den Lebensstil ihrer Mutter, fand Schule doof und Vorschriften von ihm interessierten sie nicht, denn er war ja nicht ihr Vater. Mit knapp 16 war sie schwanger, schmiss die Schule, trieb ab nur um kurz darauf wieder schwanger zu werden.
Die Mutter tat nichts um ihre Tochter auf einen guten Weg zu bringen sondern unterstützte sie vielmehr. Sie nahm ihre Tochter mit auf Partys, verschwand mit ihr tagelang ohne irgendwelche Informationen und sah ihren Mann und das gemeinsame Zuhause nur noch als Geldquelle und Hotel.
Der Sohn interessierte sie zunehmend weniger, er war in ihren Augen durch ihn, ihren Mann, zu verzogen, zu Deutsch.

Nach 4 1/2 Jahren Ehe verschwand sie mit ihrer Tochter aus dem Haus, ohne Informationen, ohne sich um ihren Sohn Gedanken zu machen. Sie hatte endlich was sie immer wollte - sie hatte ihren Daueraufenthalt in Deutschland gesichert - und reichte die Scheidung ein.
Die Ehe wurde dann irgendwann geschieden, der Sohn blieb bei seinem Stiefvater, denn sie hatte kein Interesse mehr an ihrem Jungen. Er war kein Latino mehr, hatte nicht mehr ihre Mentalität - er war ihr zu Deutsch, er war ihr fremd.

Ich habe das Drama der Trennung und Scheidung nicht mehr so nah mitbekommen, denn ich verkehrte inzwischen nicht mehr in der Latinoszene und sie war mit ihrer Tochter wie vom Erdboden verschwunden. Aber da die Welt klein ist, sah ich sie irgendwann wieder. Bei dieser Begegnung zeigte sie mir, dass Blut, auch wenn es nicht aus einer Familie kommt sondern "nur" aus der gleichen Nationalität, immer dicker als Wasser ist.

Als ich vor einiger Zeit dann den Mann mit seinem Stiefsohn, den er inzwischen adoptiert hat, getroffen habe, musste ich erfahren, dass es einen Ehevertrag gab. Allerdings keinen normalen, sondern einen mit Nebenbestimmungen.
Er sagte mir, er hat sich von Anfang an in sie verliebt, er liebte sie mehr als alles andere und konnte nicht glauben, dass sie seine Gefühle erwidert. Er, der im Geschäftsleben ein gestandener Mann ist, hatte Angst sie nach kurzer Zeit zu verlieren oder sie zu langweilen und so gab es im Ehevertrag einen Pasus der besagte, wenn die Ehe mindestens vier Jahre besteht bekommt sie im Falle einer Trennung 250 000 Euro von ihm und für jedes weitere Jahr noch mal 10 000 Euro mehr.
Dies war, wie er mir glaubhaft versichert hat nicht ihre Idee sondern ganz alleine auf seinen Mist gewachsen, da er sie um jeden Preis halten wollte, sie und seine Liebe zu ihr ihm wichtiger waren als alles Geld.


Dies ist keine fiktive Geschichte sondern eine wahre Begebenheit.
Er ist ein erfolgreicher Unternehmer und sie, sie war/ist die Comadre (Patentante) meiner Tochter.
Mit ihm habe ich noch ab und an Kontakt, meist eher zufällig und über sie wird dabei kein Wort mehr verloren. Der Sohn macht inzwischen eine Lehre im Betrieb des Vaters und hat, zumindest auf den ersten Blick, mit seiner Mutter abgeschlossen.
Von ihr und der Tochter habe ich seit unserer letzten zufälligen Begegnung vor 7 Jahren nichts mehr gehört.
Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen. (Platon)

Franconia
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Franconia » 05.01.2014, 18:09

Bigi hat geschrieben:In meiner Generation haben wir noch was über echte Dichter und Denker gelernt..haben Bücher darüber gelesen, Aufsätze dazu geschrieben..
gibt es heute auch noch.
Aber die Tendenz geht zunehmend hin zum "realen Leben", denn dies wird als etwas gesehen, mit dem dem Schüler etwas anfangen können, woraus sie etwas nützliches für ihre Zukunft ziehen können. Dichter und Denker werden zunehmend als verklärt, romantisch betrachtet. Man nimmt sie im Unterricht durch weil sie einfach dazu gehören, vielfach ein "Muss" sind, stellt sie aber oft mit weltfremd gleich, dem der Bezug zur Realität fehlt und dem kein Nutzen für die weitere Zukunft zugesprochen wird.

Aufsätze wie "Mein Ferienerlebnis" waren gestern.
Heute heißt es Textanalyse, Interpretation, Intention des Autors, Textzusammenfassung und dazu kommen dann Dinge wie Berichte oder auch "Schreibe einen Artikel für die Zeitung" oder "Wie schreibe ich einen Leserkommentar" :wink:
Geht los so ab der 6. oder 7. Klasse und zieht sich dann durch bis zum Abitur. Klassiker der Literatur kommen mit Glück ein Mal pro Jahr dran (und alle Schüler stöhnen) und gemeinsame "Klassenlektüre" nur noch wenn der Lehrer Lust dazu hat. Gelesen wir in Deutsch meist nur noch in den unteren Klassen (bis die Kinder es können) und ab dann ist alles andere wichtiger.
Bigi hat geschrieben:Was mich persönlich an all dem erlebten so stört, ist die mangelnde Zivilcourage der Menschen..Tendenz steigend..
Leider wahr, aber in gewisser Weise auch verständlich.
Zeigst du Zivilcourage musst du damit rechnen selbst zur Zielscheibe, zum Opfer zu werden - teilweise mit gravierenden Folgen. Oder aber du wirst, wenn sich diese Courage gegen Ausländer richtet, in die rechte Ecke gestellt mit der du eigentlich nichts gemein hast.
Sobald man in unserer heutigen Gesellschaft ein gewisses Verhalten kritisiert oder abmahnt ist man:
- Kinderfeindlich
- Ausländerfeindlich
- ein Tierhasser
- überheblich
- von gestern
- mischt sich in Dinge ein die einen nichts angehen
- und und und (lässt sich endlos fortsetzen)
Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen. (Platon)

Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 20:52

Hallo,
natürlich bearbeite ich mit den Kids auch die gute alte klassische Literatur. Nur ist es so, dass die klassische Literatur alleine nicht das Fach "Deutsch" ausmacht, gerade das Fach Deutsch sollte beweglich bleiben. Ich denke, dass man auch in "alten" Werken gut einen Gegenwartsbezug finden kann. Habe etwa letztes Jahr Emilia Galotti gelesen und wir haben sehr viel zum Thema Ehre und Ehrenmord gearbeitet. Die Probleme der Menschen ändern sich in ihren Grundstrukturen oft nicht so sehr.
Ich denke aber, dass es sehr wichtig ist, auch neuere Literatur in den Unterricht einzubeziehen. Und: Nur weil alt, heißt es nicht, dass es grausam ist. Wenn man sich zB den Schüler Gerber oder Unterm Rad von Hesse ansieht, so bieten beide Werke ein großes Spektrum an psychischer (und auch physischer) Gewalt.
So viel dazu.
Zur anderen Geschichte: Danke dafür. Die Schilderung ist so, dass man beim Lesen zu Beginn glauben möchte: Das könnte auch gut ausgehen. Traurig, dass es nicht der Fall ist. Was für mich nicht nachvollziehbar ist: Wie kann man seinen Sohn, sein eigen Fleisch und Blut so verstoßen?
Danke für die Geschichte!
LG

Franconia
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Franconia » 05.01.2014, 21:40

Daisy2510 hat geschrieben:Was für mich nicht nachvollziehbar ist: Wie kann man seinen Sohn, sein eigen Fleisch und Blut so verstoßen?
Eine Frage, die ich mir auch gestellt habe und auch immer noch stelle.
Ich schätze es hat etwas mit den Vorstellungen zu tun wie (m)ein Kind sein soll, wie sich zu verhalten und benehmen hat. Die Prioritäten liegen da bei jeder Kultur etwas anders.
Bei den Latinos legt man im Gegensatz zum "typisch Deutsch" nicht unbedingt so großen Wert auf Pünktlichkeit, auch die "Feierkultur" ist anders, besonders die Lautstärke. Auch was Arbeit, Durchhaltevermögen oder Zielstrebigkeit betrifft gibt es Unterschiede, die oft auch mit den vorhandenen/nicht vorhandenen Möglichkeiten zusammen hängen.

Jeder möchte, dass sein Kind möglichst nach seinen Wertevorstellungen aufwächst, in seiner Kultur "heimisch" ist.
In dem Fall hat der Junge mehr und mehr die hiesige Mentalität durch den Stiefvater angenommen und die eigentliche Kultur seiner Mutter abgelegt. Er war ja noch klein als er her kam, war noch formbar und lernbereit und -willig. Dadurch hat der Junge einen Teil der Leichtigkeit des Lebens verloren, die Latinos so nahe liegt und ist ernster und gewissenhafter geworden, was nicht so sehr der heimischen Kultur der Mutter entsprach.
Ich weiß nicht warum man als Mutter so handelt, sein Kind einfach so verlässt oder zu anderen abschiebt, würde aber mutmaßen, dass die Mutter die Veränderung, die ihr Sohn durchlaufen hat und die für uns eigentlich als positiv anzusehen ist, als Verrat an der Herkunft und der eigentlichen Kultur gesehen hat. Für sie war ihr Sohn irgendwann "typisch Deutsch", etwas mit dem sie nicht umgehen konnte oder wollte. Außerdem spricht es ja auch nicht unbedingt für eine Mutter, wenn sie ihre Kinder alleine in der Heimat zurück lässt um sich ein neues Leben aufzubauen und sich dann, als das neue Leben läuft, dagegen sträubt ihre Kinder wieder bei sich zu haben.
Die Mutter war übrigens kein junges Mädchen sondern damals auch schon so Anfang/Mitte 30.

Mein Ex hat des öfteren zu mir, und später auch mal zu unseren Kindern, gesagt, sie gehen ihm auf die Nerven weil sie "zu Deutsch" sind. Er hat mir, jetzt relativ zum Schluss kurz vor seiner Abschiebung, mitgeteilt, "du bist wohl auch noch stolz darauf das du deine Kinder zu typischen Deutschen erzogen hast" und den Brief mit einem verbotenen Satz als Gruß an die Kinder und mich beendet.
So ähnlich wie mein Ex wird diese Frau wohl auch ihr Kind gesehen haben.

Außerdem bleibt die Frage offen, ob beide Kinder den gleichen Vater hatten oder nicht. Gut möglich das sie den Jungen evtl. auch abgelehnt hat weil er einen anderen leibl. Vater hatte als die Tochter und sie diesen Mann als Fehltritt und das Kind deswegen von Haus aus als Fehler betrachtet hat.

PS:
Meine Tochter hat in der Schule letztes Jahr (11. Klasse) Romeo und Julia gelesen, mit nachfolgender Interpretation und der Frage, in wie weit sich diese Geschichte auf die heutige Zeit übertragen lässt. :wink:
Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen. (Platon)

Daisy2510
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Re: Eine kleine Geschichte

Beitrag von Daisy2510 » 05.01.2014, 21:57

Hallo,
ja, deine Gedankengänge sind nachvollziehbar. Bei meinem Ex war auch einmal die Diskussion, was denn unsere Kinder einmal wären. Für ihn klar: Tunesier oder gar nichts. Es war auch für ihn gut vorstellbar, dass wir unser (nicht existentes) Kind mal für ein jahr nach Tunesien zu seiner Mutter schicken können, damit es dort das wahre Leben lernt. Alleine versteht sich. Ich hatte eine Bekannte (sie Österreicherin, er Tunesier), die tatsächlich ihren 4jährigen Sohn nach Tunesien geschickt hat. Für mich wäre das der Horror. Das ist auch ein Grund warum ich NIE Kinder mit dem menschen wollte. Mit meinem jetzigen Partner, der Grieche ist, ist es so, dass wir uns diese frage eigentlich gar nicht stellen. Wir leben hier, das Kind wir hier erzogen, sozialisiert und aus. Wobei ich es wichtig findet, dass es später mal in die griechische Schule geht und (mit mir) die Großeltern in gr besucht. Das Kind gibt es (noch) nicht.
Ich kann mir nur vorstellen, dass der Sohn deine Bekannten einmal ordentlich ins strudeln gerät. Seine Mutter hat ihn abgeschoben, von seinem biologischen Vater weiß er quasi gar nichts. Das ist traurig.
LG

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