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von Justicia » 28.09.2018, 10:50
Es gibt noch eine weitere Herausforderung für Betroffene und Angestellte. Es gibt immer die Angst von der eigenen Landsfrau verraten zu werden.
Es ist schon vorgekommen, dass sich Frauen aus der Mannesfamilie in Frauenhäuser "eingeschlichen" haben, um den Wohnort der Geflohenen weiterzugeben. Ebenso gilt das für Frauen, die sich entscheiden zurück zu gehen (das sind nicht wenige!) und dann über andere Namen und Orte zu berichten. Auch Bedrohungen gerichtet an Sozialarbeiterinnen/-pädagoginnen sind keine Seltenheit, weshalb Telefonnummern regelmäßig gewechselt werden müssen. Der Wechsel der Angestellten ist viel höher als in anderen pädagogischen Bereichen. Wirklich alt wird kaum noch einer in diesem Berufsbereich. Der Verdienst (ca. 4000 € brutto im Monat) scheint im ersten Moment zwar okay, aber dafür wird dir weit mehr abverlangt als in anderen Bereichen. Eben die genannten Bedrohungen, dazu kommen Sprachbarrieren, Kulturverständnisse, Schicht- und Bereitschaftsdienst, viel zu wenig Fortbildungen, häufig überforderte Träger. Das Handlungsfeld erfordert zudem sozial- und strafrechtliche Kenntnisse, in Psychologie, Soziologie usw. Man muss von allem etwas sein und vor allem frustrationstolerant und absolut stabil. Anders ist das nicht zu schaffen.
Am schlimmsten finde ich aber die Angst, mit der alle umgehen müssen. Fehlende Loyalität/Solidarität aufgrund der Sozialisationsprozesse. Da ist es dann fast schon egal, ob 80 Prozent der geflüchteten Frauen muslimisch sind oder 20 Prozent. Eine einzige ist ausreichend um einen ganzen sozialpädagogischen Apparat zu sprengen.
Übrigens sind es in dem Landkreis, in dem ich lebe, unter 50 Prozent, die nicht-deutscher Herkunft sind und langfristig Schutz suchen. Das habe ich gestern extra erfragt. Es wird aber davon ausgegangen, dass der Bedarf sehr viel höher ist, aber das Angebot nicht bekannt genug oder nicht anerkannt ist. Letzteres finde ich sogar verständlich, wenn man bedenkt, dass ich als Frau, vielleicht sogar noch mit den Kindern, den Mann verlasse und kurze Zeit später lauert er mir auf, weil er mich gefunden hat. Dann hilft auch keine Umverlegung (die ohnehin schon wegen der Kostenfrage schwer zu bewerkstelligen ist).
Da wird mal wieder ins eigene Fleisch geschnitten, wie so oft in dieser Gesellschaft.