Also das passiert doch jedem mal dass man einem anderen einfach vertraut und arglos ist. Öfter wenn man jünger ist, aber auch später noch.
Es ist immer gut die Aussagen anderer zu hinterfragen, und seit es das Internet gibt ist es ja auch viel einfacher geworden. Irgendwie paradox dass das Internet das Bezness blühen lässt, aber im Gegenzug würde es den Betroffenen so viel Recherchemöglichkeiten bieten. Manche Sachen kann man ja in Sekundenschnelle überprüfen.
Trotzdem kann man nicht alles überprüfen. Ich hatte mal einen eigentlich supernetten Nachbarn, mit dem ich öfter gequatscht habe. Er erzählte mir von seiner Freundin, die gerade an Krebs gestorben sei, in allen Details, von seinen vielen Arbeitsstellen, dass ihm eine Firma gehört hat usw. Der Typ wollte kein Geld oder andere Gefälligkeiten, oder näherte sich mir irgendwie; er war einsam, wollte nur oft reden; daher wäre ich nie drauf gekommen dass das Allermeiste von vorne bis hinten erfunden war. Er hat mir sogar einen Job in seiner angeblich gerade gekauften Firma angeboten und ich habe mich total gefreut. Er hat mir dann ein Fachbuch gegeben damit ich mich in die Materie einlesen kann. Die genannte Transportfirma gab es wirklich so dass ich nicht misstrauisch wurde, trotzdem ich danach gegoogelt hatte. Auch seine Exfrau und seinen Sohn hatte ich gegoogelt, und die beiden habe ich sogar kennengelernt. Die zwei waren wohl das einzige was an seiner Story stimmte.
Alle sagten mir, der wohnt in einer ollen Einzimmerwohnung und Du glaubst dass der eine Firma erworben hat? Er sagte dann, sein bester Freund hätte die Firma bezahlt und er würde nur mit einsteigen.
Eines Tages verschwand er sang und klanglos über Nacht ohne die Miete zu bezahlen, liess alles zurück und es war sogar die Polizei bei mir um zu fragen ob ich wüßte wo er wäre (weil die Vermieter mich wohl ab und zu vorm Haus mit ihm gesehen hatten wie wir uns unterhielten). Wir (mein Mann und ich) gerieten fast in Verdacht ihn irgendwie zu "decken" und die Vermieter waren plötzlich nicht mehr so gut auf uns zu sprechen. So kanns einem gehen.
Ich kam mir richtig bescheuert vor; wie ich da noch in dem Fachbuch gelesen hatte. Und da ich den Typ leiden konnte hat es mich wirklich gekränkt dass so viel gelogen war, über Jahre! Mein Mann sagte immer, ganz nett, ja, aber dem glaub ich nur die Hälfte.
Er war nicht der Einzige der so über ihn redete, aber ich verteidigte ihn immer, der Arme, seine Freundin ist gerade gestorben...Ich konnte mir nicht vorstellen wozu er das alles erzählen sollte?
Kurz bevor er verschwand wurde ich langsam misstrauisch da ich ihn öfter billigen Wein im Tetra Pack kaufen sah und er mir an einem Tag sagte, heute wäre ja der Todestag seiner Freundin - etwas was er im Jahr zuvor an einem ganz anderen Termin behauptet hatte.
Aber selbst dann dachte ich noch, naja, er trinkt zuviel, ist durcheinander nach dem Todesfall...
Später traf ich ihn mal in einem Supermarkt - er war obdachlos und tat mir trotz allem noch irgendwie leid.
Er meinte nur, ach wir mögen uns doch, oder nicht, auch wenn ich mal ab und zu nicht die Wahrheit gesagt habe....?
Wir Frauen sind manchmal aber auch echt zu gutgläubig und sozial....